Thailand: Auf undemokratischen Wegen

Nr. 36 –

Der Anschlag in Bangkok hat das buddhistische Königreich zutiefst erschüttert. Derweil ist die regierende Militärjunta dabei, ihre Macht im Land zu zementieren.

Es geschah aus heiterem Himmel: Die Bombe, die am 17. August am Hinduschrein Erawan in einem der belebtesten Viertel Bangkoks detonierte, tötete 20 Menschen und verletzte über 120. Am Dienstag dieser Woche nahmen die Behörden einen Verdächtigen fest. In den Medien kursierten Bilder eines chinesischen Passes, der ihn als Bürger der vor allem von UigurInnen bewohnten Provinz Xinjiang auswies. Ob dieser echt war oder gefälscht, ist unklar. Zuvor hatten die ErmittlerInnen einen Mann gefasst, bei dem sie Material für den Bau von Bomben und über 200 gefälschte Reisepässe sicherstellten. Auch dessen türkischer Pass sei nicht echt, so die Polizei.

Über die Hintergründe der Tat wird noch immer spekuliert. Eine Mutmassung lautet, die TäterInnen hätten aus Wut über die Unterdrückung der UigurInnenminderheit in China und die gewaltsame Abschiebung von 109 uigurischen Flüchtlingen aus Thailand im Juli gehandelt. In der «Bangkok Post» schrieb der Sicherheitsanalyst Anthony Davis, die Behörden müssten erkennen, «dass die Gräueltat kein linkischer Racheakt einer lokalen kriminellen Bande, sondern eine sorgfältig geplante und technisch ausgeklügelte internationale terroristische Handlung» gewesen sei. Wegen ihrer widersprüchlichen Informationspolitik stehen die Militärjunta und die Polizei massiv in der Kritik. Zwischenzeitlich versuchten die Autoritäten, die mögliche internationale Dimension der Tat herunterzuspielen, wohl auch um angesichts der sich im Sinkflug befindenden Wirtschaft nicht auch noch ausländische TouristInnen zu verschrecken.

Fest steht: Der Bombenanschlag hat das buddhistische Königreich zutiefst erschüttert – zumal das Land unter der drakonischen Herrschaft einer Junta steht, die ihren Putsch vom Mai 2014 damit gerechtfertigt hatte, in dem politisch zerrissenen Land wieder Ruhe und Ordnung herstellen zu wollen.

Ein politischer Super-GAU

Derweil zementieren die Armee und das mit ihr verbündete ultrakonservative, royalistische Establishment ihre Macht. Sie haben den Entwurf einer neuen Verfassung vorgelegt, über den der Nationale Reformrat (NRC) abstimmen soll. Doch selbst in den Reihen dieses von der Junta eingesetzten Gremiums regt sich Widerstand. Spricht sich der NRC dennoch dafür aus, kommt es wohl im Januar 2016 zu einem Referendum.

Für KritikerInnen ist das Ganze ein politischer Super-GAU: Wird der Entwurf abgelehnt, werden Wahlen wohl auf unabsehbare Zeit verschoben. Wird er angenommen, ebnet er den Weg für ein System, das darauf angelegt ist, Interventionen der Armee zu legitimieren und die Herrschaft der Eliten zu festigen. Ein seiner Machtbefugnisse nahezu völlig beraubtes Parlament soll dabei als Feigenblatt dienen. Vorgesehen ist, dass von 200 SenatorInnen, den VertreterInnen des Oberhauses, 123 von den Militärs und deren Umfeld ernannt werden. Die übrigen 77, die jeweils eine thailändische Provinz vertreten, werden gewählt. Im Vorfeld hiess es, nur «ausersehene» KandidatInnen dürften antreten.

Im Unterhaus, das 450 bis 470 Abgeordnete umfassen soll, soll ein Proporzsystem dafür sorgen, dass grosse Parteien keine absoluten parlamentarischen Mehrheiten mehr erhalten. Das zielt speziell gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Shinawatra, der 2006 vom Militär gestürzt worden war und dessen Parteien alle Parlamentswahlen seit 2001 gewonnen hatten. Da Unterhausabgeordnete ausserdem der Kontrolle des Senats sowie einer konservativen Justiz und Technokratie unterliegen, können sie kaum mehr etwas entscheiden.

Kein Recht zu Kritik

Für besonderen Unmut sorgt eine in letzter Minute eingefügte Klausel: Sie gibt einem von Militär- und Polizeispitzen dominierten «Krisengremium» die Befugnis, im Fall von politischem Chaos einzuschreiten. Diese Verfassung missachte die Souveränität des Volkes, heisst es vonseiten der ehemaligen Regierungspartei Pheu Thai, die im Mai 2014 vom Militär entmachtet worden war. Der Kolumnist Songkran Grachangnetara kritisierte, «man beleidige damit das Andenken all jener, die im Kampf für wahre Demokratie ihr Leben gelassen haben».

Selbst manche Angehörige der mit dem alten Establishment verbandelten Demokratischen Partei (DP), die die Strassenproteste 2013/14 gegen die damalige Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra offen unterstützt hatte, wandten sich gegen den Entwurf: Es wäre am besten, der Rat lehne ihn ab, zitierten lokale Medien den DP-Vorsitzenden Abhisit Vejjajiva, der eine Überarbeitung forderte. Juntachef und Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha keilte zurück: Die PolitikerInnen hätten kein Recht, den Entwurf zu kritisieren.