Rechtsextremismus: «Aber bitte nicht an die Medien»

Nr. 27 –

Der Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub will die deutsche Justiz in die Irre führen: mit einem Briefkasten in Kreuzlingen.

Kurz vor Sommerbeginn haute Bernhard Schaub wieder einmal in die Tasten. Der Schweizer Holocaustleugner, inzwischen 64 und vorzeitiger AHV-Bezüger, bat in einem Mail an seine «lieben Freunde und Mitstreiter» um Spenden. Die «Justizganoven der BRD» hätten nun auch gegen ihn zugeschlagen, schreibt Schaub und warnte die AdressatInnen: «Aber bitte nicht an die Medien oder gar an die Justiz weiterleiten», sonst habe er das nächste Verfahren am Hals.

Das Mail des Holocaustleugners liegt der WOZ vor, samt zwei angefügten Dokumenten: einem Strafbefehl und einem Einspruchschreiben dagegen.

Auslöser von Bernhard Schaubs Spendenaufruf ist ein Mitte Juni ergangener Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden wegen Volksverhetzung, begangen Mitte Februar 2017 bei einer Kundgebung, die die Bombardierung der sächsischen Hauptstadt durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrechen anprangerte. Schaub war an der Kundgebung als «bekennender Holocaustleugner» angekündigt worden.

Das Amtsgericht hat eine Geldstrafe von 4800 Euro (über 5500 Franken) gegen Schaub verhängt. Er habe, so ein Amtsrichter, erstens «das systematische Völkerrechtsverbrechen der Nationalsozialisten an den Juden» in Abrede gestellt und zweitens zum Hass «gegenüber den in der Bundesrepublik lebenden Juden» aufgestachelt.

Schaub hat Einspruch gegen diesen Strafbefehl eingereicht, den er als «neuen Höhepunkt bundesrepublikanischer Unrecht-Sprechung» bezeichnet. Darin kündigte er auch an, er werde an einer allfälligen Hauptverhandlung nicht teilnehmen.

Zustellen liess sich Schaub den Strafbefehl nach Kreuzlingen im Kanton Thurgau. Lebt der Holocaustleugner also wieder in der Schweiz? Eigentlich hatte er sich vor rund sechs Jahren in der Region Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern auf einem Hof angesiedelt. In seinem Einspruchschreiben hält Schaub jedenfalls fest, dass er seit einem Jahr eine Altersrente in der Schweiz beziehe und in einer Einzimmerwohnung lebe.

Posieren mit zwei Schimmeln

Ein Augenschein in Kreuzlingen ergibt: An der besagten Adresse gegenüber dem Bahnhof steht zwar ein Briefkasten, auf dem der Name Bernhard Schaub steht – aber eine dazugehörige Wohnung ist im mehrstöckigen Gebäude nicht auffindbar. «Den habe ich hier noch nie gesehen. Vielleicht hat er ein Kellerabteil», sagt jemand, der im Gebäude wohnt, auf Anfrage. Aber auch im Keller findet sich kein Hinweis auf Schaub. Nachfragen bei der Liegenschaftsverwalterin sowie bei den Thurgauer Behörden zum Verbleib von Bernhard Schaub in Kreuzlingen bleiben aus Gründen des Datenschutzes unbeantwortet.

Lebt Schaub also doch nicht in der Schweiz? Der Verdacht drängt sich auf, zumal sich Schaub erst Anfang Juni sichtlich gut gelaunt von einem Gesinnungskameraden für ein Youtube-Video interviewen liess: auf einem ausladenden Hof, vor dem Schaub im Gestus eines Gutsherrn mit zwei Schimmeln posiert. «Die ganze Familie reitet», meint er und sagt, wie froh er sei, diesen «schönen Hof zu haben», der ganz in der Nähe eines der «grössten Moorgebiete Europas» liege.

Gründer der Europäischen Aktion

In den vergangenen sechs Jahren war Schaub vorwiegend in Deutschland politisch tätig. Seinen letzten öffentlichen Auftritt legte er Anfang Mai in Bielefeld hin, bei einer Kundgebung für die inhaftierte greise Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, eine langjährige Weggefährtin Schaubs. In Bielefeld argumentierte Schaub wie ein Mitglied der Reichsbürgerbewegung, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimen und souveränen Staat bestreitet: Es sei heute gar nicht möglich, dass «ein deutsches Gericht Recht» spreche. Die Macht in Deutschland und «überhaupt in der westlichen Hemisphäre» hätten die «Amerikaner und ihre Hintermänner», die er nicht zu nennen brauche. «In Europa sind Völker nicht mehr frei, vielleicht in Ungarn noch.»

Vor bald neun Jahren gehörte Schaub zu den Gründern der Europäischen Aktion (EA), einer Organisation, die als internationaler Zusammenschluss von Rechtsextremen und HolocaustleugnerInnen angelegt war. Entsprechend entstanden Sektionen in mehreren Ländern.

Vor einem Jahr löste sich die EA überraschend auf. Die Hintergründe sind nicht ganz klar, die Auflösung dürfte jedoch im Zusammenhang mit intensiven Ermittlungen wegen des Verdachts auf rechtsterroristische Aktivitäten in Deutschland und Österreich stehen. Seit Ende Dezember sitzt beispielsweise der ehemalige EA-Landesleiter Österreich Hans Berger in Untersuchungshaft in Wien. Bis zu seiner Verhaftung lebte Berger in der Agglomeration Basel. In diesen Tagen wird ein Gerichtsentscheid erwartet, ob die Haft verlängert wird.

Auch die Zukunft von Bernhard Schaub bleibt ungewiss. Wie er in seinem Mail schreibt, drohen ihm vier Monate Haft, wenn er die Geldstrafe nicht bezahlen könne. «Da ich es nicht als Ehrensache betrachte, mich zusammen mit Kanaken einsperren zu lassen, werde ich praktisch für immer in der Schweiz bleiben müssen», schreibt er. «Es wäre das Ende meiner Tätigkeit in Deutschland.»

Ein Briefkasten in Kreuzlingen wird da nicht reichen.

Mitarbeit: Jan Jirát

Nachtrag vom 14. März 2019 : Ein «einmaliges Ereignis»?

Vor neun Monaten hatte sich Holocaustleugner Bernhard Schaub den Strafbefehl wegen Volksverhetzung an einen Briefkasten in Kreuzlingen zustellen lassen. Am Freitag vergangener Woche erklärte Schaubs Anwalt Martin Kohlmann dem Vorsitzenden des Amtsgerichts Dresden, Schaub wohne in Deutschland, in der Region um Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Schaub selber war «vom Erscheinen entbunden» worden. Der Verteidiger, Exponent der ausländerfeindlichen Bewegung Pro Chemnitz, erledigte seine Aufgabe aber schnodderig. Dem Gericht wollte er weismachen, AHV-Bezüger Schaub lebe von «Sozialhilfe oder vielleicht Hartz IV».

Nichts zu rütteln gab es am Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Schaub hatte Mitte Februar 2017 in Dresden bei einer Kundgebung die Zerstörung Dresdens als Zeichen des jüdischen Willens zur Weltherrschaft erklärt und auch unterstellt, dass Bilder des Holocaust manipuliert, verzerrt oder gefälscht seien – im Gegensatz zu den Bildern der Bombardierung von Dresden. Am Ende rief er die Deutschen zum «Aufstand gegen die herrschenden Cliquen» auf, nachdem er von der «Rothschild-» und der «Marx-Clique» gesprochen hatte.

Vor dem Amtsgericht hatte die Staatsanwältin wegen Volksverhetzung eine Strafe von 120 Tagessätzen à zehn Euro verlangt, Schaubs Verteidiger Freispruch. Nach kurzer Verhandlungspause reduzierte der Vorsitzende die Strafe auf 90 Tagessätze à zehn Euro. Die Strafreduktion begründete der Richter wenig überzeugend: Schaubs Auftritt sei ein «einmaliges Ereignis» gewesen. Das Gegenteil trifft zu: Seit Februar 2017 ist Schaub mehrmals aufgetreten, so im Mai 2018 bei einer Kundgebung für die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und im Januar 2019 in Berlin, wo er von der «Rothschild-Soros-Clinton-Macron-Merkel-Bande» sprach.

Nach der Verhandlung kündigte Verteidiger Kohlmann an, das Urteil anzufechten.

Hans Stutz