Wer zahlt die Krise?: Ein Staat für die Vermögenden

Nr. 18 –

Macht man die Rechnung, wird klar: Die Kapitalbesitzenden profitieren überdurchschnittlich viel von den 60 Milliarden Franken Coronahilfe des Bundesrats. Bezahlen sollen die Rechnung aber am Schluss andere.

Als der Bundesrat am 20. März einfach mal so 40 Milliarden Franken lockermachte, um die Folgen des Coronavirus zu bekämpfen, kam von Wirtschaftsverbänden, bürgerlichen PolitikerInnen und deren Leitblatt nur Applaus. «Höchste Zeit», rief die NZZ. Ohne Hilfe drohe die «Akzeptanz der Marktordnung» im Land zu erodieren. Und: «Die Schweiz kann sich das auch leisten.» Inzwischen sind es über 60 Milliarden.

Nun, da das Geld fliesst und die NZZ Kurzarbeitsgeld erhält, warnt sie vor «Seuchen-Sozialismus». Natürlich kann man sich über das Niveau dieser Aussage lustig machen, doch man sollte sie nicht unterschätzen: Die NZZ schlägt damit den ersten Pflock im bevorstehenden Verteilungskampf ein – darum, wer die Krise bezahlen soll. Wer Sozialismus sagt, suggeriert, dass die Milliarden an die breite Bevölkerung geflossen sind: So werden künftige Sparpakete auf deren Buckel vorgespurt. Dabei profitieren vom Bundesgeld vor allem die Grossen: Banken, Immobilienbesitzer, Konzerne, Aktionärinnen und Grossverdiener.

Seit Jahren wird gewarnt, dass die Banken zu viele riskante Hypotheken und Firmenkredite vergeben. Die Credit Suisse etwa hat laut Geschäftsberichten ihre unsicheren, spekulativen Firmenkredite (mit BB-Rating oder tiefer) seit 2010 von 19 auf 41 Milliarden Franken erhöht. So wurde im Februar schnell klar, dass mit einbrechenden Einnahmen bei Privathaushalten und Firmen den Banken enorme Verluste drohten. Der Börsenkurs der CS brach auf die Hälfte ein.

Kein Wunder also, klopfte CS-Chef Thomas Gottstein bei Finanzminister Ueli Maurer (SVP) mit der Idee eines Kreditprogramms an. Banken können nun für 40 Milliarden Franken neue, noch billigere Kredite an Firmen vergeben, damit diese nicht pleitegehen. Laut Notverordnung dürfen die Banken damit auch sicherstellen, dass die Firmen ihnen fällige Kredite zurückbezahlen. Falls eine Firma den neuen Coronakredit nicht zurückzahlen kann, kommt der Bund für die Verluste auf. So können Banken faule Kredite beim Bund abladen.

Auch mit den bisher 14 Milliarden, die für Kurzarbeitsentschädigungen bereitgestellt wurden, stützt der Bund die Banken: So ist die Gefahr, dass Beschäftigte mit Wohneigentum den Zins für ihre Hypothek nicht mehr zahlen können, vorerst gebannt.

Banken und Immobilienbesitzer

Die Banken werden gar zusätzlich verdienen: Zwar müssen sie kleinere Kredite zu null Prozent Zins vergeben; wenn sie sich jedoch die nötige Liquidität bei der Nationalbank (SNB) leihen, erhalten sie 0,75 Prozent Minuszins dafür. Das ergibt eine Marge von 0,75 Prozent. Das Finanzdepartement weist darauf hin, dass kleinere Banken viel Liquidität bei der SNB halten, auf die sie 0,75 Prozent Minuszins zahlen. Holen sie sich nun zusätzlich Geld für die Coronakredite, landet dieses auf ihrem Konto bei der SNB, womit sie 0,75 Prozent zurückzahlen müssen – ein Nullsummenspiel. Doch erstens können die Banken für die Kredite auch ihre bestehende Liquidität nutzen, auf die sie Minuszins zahlen, womit sie ebenfalls profitieren. Zweitens hat die SNB die Freigrenze für Minuszinsen angehoben; so sind laut Finanzdepartement die Grossbanken kaum mehr von Minuszinsen betroffen. Drittens könnten die Zinsen der Coronakredite in einem Jahr erhöht werden.

UBS und CS haben angekündigt, Gewinne aus den Coronakrediten spenden zu wollen. Es fragt sich jedoch, wie viel nach Zahlung von Dividenden und Boni übrig bleibt. Und: Die meisten anderen Banken haben keine entsprechende Absicht geäussert.

Ein weiterer beträchtlicher Teil der über 60 Milliarden fliesst an die Immobilienbesitzer: reiche Familien, Pensionskassen, Anlagefonds, Immobilien-AGs oder Versicherungskonzerne wie Swiss Life. Der Bund sagt es diplomatisch so: Die Massnahmen seien auch «für den Immobilienbereich relevant».

Denn: Einen guten Teil der 40 Milliarden Franken Kreditsumme werden die Firmen dazu nutzen, ihre Mieten weiterhin zu bezahlen. Das Gleiche werden Selbstständige tun, die 5,3 Milliarden erhalten haben. Gastrobetriebe geben von ihren Kosten zwischen ein paar Prozent bis über ein Drittel für die Miete aus. Auch grob zwanzig Prozent der 14 Milliarden Kurzarbeitsentschädigung werden bei den Immobilienbesitzern landen, so viel gibt ein Haushalt im Durchschnitt für die Miete aus.

Oft wird behauptet, dass davon alle profitierten, da Pensionskassen viele Immobilien besitzen. Doch drei Viertel aller Vermögen in der Schweiz (inklusive Pensionskassenvermögen) liegen laut Forschungszentrum Fors in den Händen der dreissig Prozent Reichsten. Da Immobilien ähnlich verteilt sein dürften wie übrige Vermögen, kassieren diese auch rund drei Viertel der Mieten. An die untere Hälfte gehen gerade mal zehn Prozent.

Im Interesse der Bürgerlichen

Ein weiterer Teil fliesst an Konzerne wie die Swiss – für die sich bei Redaktionsschluss Hilfe abzeichnete – und indirekt an AktionärInnen: Etliche Konzerne stecken Kurzarbeitsgelder ein, um weiterhin Dividenden ausschütten zu können. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) entschied sich gegen ein entsprechendes Verbot. Neben der NZZ tun das auch die TX Group, Adecco, ABB, die Jungfraubahnen oder die Sika. Schliesslich profitieren GrossverdienerInnen viel mehr von den Bankkrediten und den Kurzarbeitsgeldern als jene mit kleinen Löhnen. Der Bund kompensiert Verdienstausfälle (zu achtzig Prozent) von bis zu 148 200 Franken. Unter anderem haben auch Fussballklubs Geld für ihre Spieler beantragt; damit trägt die Allgemeinheit riesige Saläre mit.

Der Bund springt also mit seinen Milliarden für die Einkommen ein, die der Markt derzeit nicht hergibt. Die Einkommen sind jedoch extrem ungleich verteilt: Die reichsten zehn Prozent stecken rund ein Drittel davon als Miete, Dividende oder Lohn ein. Entsprechend ist das grob auch der Anteil, den sie von den über 60 Milliarden Franken erhalten. Dass der Markt die Wertschöpfung so ungleich verteilt, ist das eine – doch was ist die Rechtfertigung dafür, dass nun auch Steuergeld so ungleich verteilt wird?

Die ärmere Hälfte der EinkommensbezügerInnen dürfte rund ein Viertel der Hilfsgelder erhalten – und muss dabei Wartezeiten in Kauf nehmen. Während die Grossen schnell Hilfe erhielten, mussten etwa TaxifahrerInnen Wochen warten. Andere erhalten bis heute nichts. Und die PflegerInnen in den Spitälern müssen zu miserablen Löhnen noch Überstunden schieben. Dass Bürgerliche gegen den Staat sind, ist ein grosses Missverständnis: Sie kämpfen für einen Staat, der ihren Interessen nützt.

All dies festzuhalten, ist zentral: zum einen, weil das Parlament in seiner Sondersession nun etwas korrigieren kann. Forderungen wie ein Mieterlass (vgl. «Die Rechten lassen das Gewerbe hängen» ) oder ein Dividendenverbot für Firmen mit Kurzarbeit liegen bereits auf dem Tisch. Was fehlt, ist die Forderung, dass die Banken ihre Gewinne aus den Coronakrediten für die Kreditausfallverluste hergeben, die der Bund übernimmt. Zum anderen droht sich sonst das Sozialismusmärchen in den Köpfen festzusetzen: SVP-Nationalrat und Wirtschaftslobbyist Thomas Aeschi hat die Sparpakete bereits gefordert.

Dabei kann sich die Schweiz mit ihren rekordtiefen Schulden locker etwas mehr Geld leihen. Schliesslich kassiert der Bund gar Minuszinsen dafür. Will man Schulden wieder abbauen, so soll das über höhere Steuern für Banken, Konzerne und Vermögende passieren. Sie haben in der Krise einmal mehr gut profitiert.