Pop: Dein Bein an meinem Schenkel

Nr. 28 –

Sind Sternzeichen besonders populär unter Frauen, die auf Frauen stehen? Es gibt Hinweise darauf – und es gibt «Co-Star» von Amaarae. Der Song ist benannt nach einer populären App, die astrologische Empfehlungen zu bestimmten Beziehungen abgibt. Amaarae singt und sinniert darin über verschiedene Liebhaberinnen und ihre sterngegebenen Eigenschaften: «Me and her, it felt like threesomes / Must be Gemini» – wenn es sich wie Sex zu dritt anfühlt mit ihr, muss sie ein Zwilling sein, die sind schliesslich bekannt für ihre doppelte Persönlichkeit.

Zu hören ist das auf Amaaraes zweitem Album, «Fountain Baby». Es erschien am 9. Juni, am selben Tag wie Janelle Monáes «The Age of Pleasure», auf dem Amaarae nicht nur einen Auftritt in einem der Songs hat, auch sonst gibt es Überschneidungen: Die beiden singen sehr genüsslich und explizit über Sex, und das auf eine Weise, bei der Männerkörper, oft subtil, nicht mitgemeint sind. «Ich will dein Bein an meinem Schenkel spüren», heisst es im gemeinsamen Song «The Rush» – würde eine Frau so den Sex mit einem Mann beschreiben?

Amaarae, das ist Ama Genfi, aufgewachsen in Accra und Atlanta. Sie singt über prächtig ausgestattete Beats aus Afropop und R ’n’ B, und das mit ihrem unverkennbaren Sopran: süss, aber auf eine Weise, die eher ausserirdisch als mädchenhaft klingt, gleichzeitig vernebelt und messerscharf, ziemlich betörend schlussendlich.

Und dann, nach etwa zwei Dritteln dieses ungemein geschmeidigen Albums, reisst Amaarae das Steuer herum. «Sex, Violence, Suicide» beginnt als Autotuneballade mit verwaschener Akustikgitarre, das Herz schmerzt: «Baby, you’re no good.» Plötzlich wirbelt eine ganz anders gelaunte Gitarre herein, elektrisch diesmal, und Amaarae schreit, ohne Stimmeffekt nun, die Selbstbehauptung hinaus als rotzigen Punksong: «Wenn ich nicht bekomme, was ich will, bekommst dus auch nicht.» Doppelte Persönlichkeit als Song, muss ein Zwilling sein.

Albumcover «Fountain Baby» von Amaarae
Amaarae: «Fountain Baby». Universal. 2023.