Arbeitskämpfe in Indonesien: Nickel für den «grünen» Kapitalismus

Nr. 40 –

Wie chinesische Unternehmen Arbeiter:innen in Indonesien ausbeuten und ihre Organisierung unterlaufen.

Arbeiter:innen auf Motorrädern beim Schichtwechsel im Indonesia Morowali Industrial Park
Die chinesischen Ar­beiter:in­nen bekommen für die gleiche Arbeit deutlich höhere Grundlöhne als die Indonesier:in­nen: Schichtwechsel im Indonesia Morowali Industrial Park. Foto: Ulet Ifansasti, Getty

Die chinesische Regierung nutzt ihre Belt-and-Road-Initiative (BRI), um sich weltweit den Zugriff auf Rohstoffe zu sichern. In Indonesien geht es ihr vor allem um Nickel zur Produktion von Stahl und Elektroautobatterien.

In den chinesischen Nickelminen und -schmelzen herrschen miserable Arbeitsbedingungen. Im Januar 2023 führte ein Streik indonesischer Arbeiter:innen zu Auseinandersetzungen zwischen indonesischen und chinesischen Arbeiter:innen und zwei Toten. Der Streik ereignete sich in der Provinz Zentralsulawesi. Gunbuster Nickel Industry (GNI), hinter dem das chinesische Unternehmen Jiangsu Delong Nickel Industry steht, betreibt dort seit 2021 einen Komplex zur Förderung und Verarbeitung von Nickel. GNI beschäftigt etwa 12 000 Arbeiter:innen, darunter 1300 aus China. Viele Arbeitsverträge sind befristet, und regelmässig kommt es zu schweren Arbeitsunfällen. So auch am 22. Dezember 2022, als eine Explosion zwei indonesische Arbeiter:innen, Defri Hari Jonathan und Nirwana Selle, tötete.

Bereits vor dem Unfall hatte es 2022 bei GNI mehrere Arbeitskämpfe gegeben. Nach dem tödlichen Unfall im Dezember verlangte die örtliche Sektion der Gewerkschaft SPN, dass die Arbeitsschutzbedingungen verbessert und die Familien der beiden Getöteten entschädigt werden. Weitere Forderungen richteten sich gegen Lohnkürzungen und befristete Arbeitsverträge. GNI ging nicht darauf ein, worauf die SPN vom 11. bis 14. Januar 2023 den erwähnten Streik organisierte.

Angriff mit Eisenstangen

Am Nachmittag des 14. Januar beendeten Dutzende in der SPN organisierte und etliche unorganisierte Arbeiter:innen ihre Streikversammlung vor dem GNI-Gelände. Am Abend setzten einige indonesische Beschäftigte ihren Protest fort. Dabei wurden sie von chinesischen Arbeiter:innen angegriffen, die Berichten zufolge von GNI-Managern mit Eisenstangen ausgerüstet worden waren. Bei den Auseinandersetzungen starben ein indonesischer und ein chinesischer Arbeiter. Etliche GNI-Maschinen und -Fahrzeuge wurden zerstört, Unterkünfte der chinesischen Arbeiter:innen in Flammen gesetzt.

Noch in der Nacht nahm die Polizei über siebzig Personen fest, siebzehn blieben unter dem Vorwurf von Gewalt und Brandstiftung in Haft. Später wurden auch zwei Arbeiteraktivisten der SPN festgenommen, Minggu Bulu und Amirullah. Die Staatsanwaltschaft bezichtigt sie der Aufwiegelung zur Gewalt und der Verbreitung falscher Informationen. Ihr Prozess läuft derzeit in Poso, Zentralsulawesi. Beide waren nach Zeugenaussagen am 14. Januar nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt. Unterstützer:innen der beiden Aktivisten zufolge ist der Prozess Teil einer gewerkschaftsfeindlichen Kampagne von GNI.

Hinter dem Engagement chinesischer Unternehmen in Zentralsulawesi und anderen Provinzen steht die 2013 von Chinas Regierung gestartete BRI, mit der sie weltweit Projekte zum Aufbau von Transportwegen, Energieversorgungs- und Produktionsanlagen fördert. Die BRI soll helfen, die wirtschaftliche Dominanz der USA und anderer westlicher Länder zu brechen und dem chinesischen Kapital weltweit mehr Einfluss und Kontrolle zu sichern. BRI-Projekte haben jedoch ökologische und soziale Probleme verursacht und einige Partnerländer in Verschuldungskrisen getrieben. In den letzten Jahren sind Chinas BRI-Investitionen und die Zahl der Projekte zurückgegangen, auch aufgrund wirtschaftlicher Krisen und weil die chinesische Regierung die Binnenwirtschaft ankurbeln will. Mit Investitionen von bisher fast einer Billion US-Dollar hat die BRI dennoch enorm zu Chinas wirtschaftlichem und geopolitischem Aufstieg beigetragen.

Indonesien gehört zu den wichtigsten BRI-Partnerländern in Asien, hier hat das chinesische Engagement zuletzt noch zugenommen. Die Regierung unter Präsident Joko Widodo strebt die weitere Industrialisierung Indonesiens an und benötigt dafür ausländische Investitionen. Seit Jahren schränkt sie den Export unverarbeiteter Rohstoffe weiter ein, um mehr Produktionskapazitäten ins Land zu holen. Zugleich höhlte sie die Arbeitsgesetze aus, um ausländischen Investoren flexible Arbeitskräfte zu tiefen Löhnen anbieten zu können.

Gefährliche Arbeit

Chinesisches Kapital fliesst dabei vor allem in Verkehrsprojekte, Kraftwerke – und die Nickelproduktion. Indonesien besitzt weltweit die grössten Nickelreserven. Die Förderung und Verarbeitung wurde von 2020 bis 2023 verdoppelt und macht nun fast fünfzig Prozent der globalen Produktion aus. Derzeit produziert Indonesien vor allem für die Edelstahlherstellung, künftig soll auch Nickel für Lithium-Ionen-Batterien von Elektroautos hergestellt werden, einem Kernprodukt des «grünen» Kapitalismus. Seit 2020 hat die indonesische Regierung mehr als ein Dutzend Verträge über insgesamt fünfzehn Milliarden US-Dollar für die Belieferung der Batterie- und Elektroautoproduktion abgeschlossen, darunter mit chinesischen Zulieferern von Tesla, Hyundai, LG und Foxconn.

Das Aushängeschild der BRI-Projekte in Indonesien ist der 2015 in Betrieb genommene Indonesia Morowali Industrial Park (IMIP). Auch dieser grösste Komplex zur Förderung und Verarbeitung von Nickel liegt in Zentralsulawesi. Betrieben wird der IMIP vom chinesischen Stahlproduzenten Tsingshan und dem indonesischen Bergbauunternehmen Bintang Delapan. Auf mittlerweile 4000 Hektaren betreiben achtzehn chinesische und indonesische Auftragsunternehmen unter anderem Nickelminen und -schmelzen.

Derzeit sind beim IMIP über 90 000 Arbeiter:innen beschäftigt, etwa ein Zehntel davon aus China. Die meisten indonesischen Beschäftigten sind Binnenmigrant:innen aus Südsulawesi und anderen Provinzen, die vom IMIP angeworben und auf die Auftragsunternehmen verteilt werden. Sie wohnen in angemieteten Zimmern in umliegenden Dörfern. In der Produktion bekommen viele einen Grundlohn von etwa 3,5 Millionen Rupien pro Monat (rund 200 Schweizer Franken). Je nach Abteilung verdienen einige trotz Zulagen nicht viel mehr, andere kommen mit Überstunden und Boni auf 7 Millionen Rupien und mehr. Das ist mehr als in anderen Gegenden Indonesiens, wegen der hohen Preise in der Region bleibt ihnen allerdings nicht viel davon.

Die aufgeweichten Arbeitsgesetze erlauben es dem IMIP, indonesische Arbeiter:innen befristet einzustellen und später nicht fest zu übernehmen. Die meisten arbeiten unter miserablen Bedingungen: lange Arbeitszeiten, mitunter keine freien Tage, Lohnabzüge und -rückstände, befristete Kettenverträge und Versetzungen in andere Bereiche oder Firmen, sodass sie Lohnansprüche verlieren. Die Arbeit ist dreckig und gefährlich. Schutzausrüstungen sind unzureichend, viele Arbeiter:innen berichten von Atem- und Augenbeschwerden wegen Staub und Rauch sowie anderen Gesundheitsproblemen. Zudem kommt es oft zu Arbeitsunfällen – auch tödlichen.

Die chinesischen Arbeiter:innen werden über Agenturen in China angeworben. Sie wohnen in Unterkünften auf dem IMIP-Gelände. In der Produktion bekommen sie für die gleiche Arbeit deutlich höhere Grundlöhne als die indonesischen Arbeiter:innen. Mitunter liegen sie bei 7000 Yuan (rund 850 Franken) und mehr, womit sie mit Überstunden und Zulagen auf über 15 000 Yuan (etwa 1830 Franken) kommen können.

Die Lohnungleichheit ist mit ein Grund für die Unzufriedenheit der indonesischen Arbeiter:innen. Doch auch die chinesischen Beschäftigten haben mit Löhnen unter versprochenen Sätzen, Lohnabzügen und -rückständen, vielen Überstunden, Übergriffen des Managements, dem Einziehen ihrer Pässe und der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu kämpfen. Etliche müssen mit Touristenvisa einreisen und haben keine Arbeitserlaubnis, was sie erpressbar macht.

Ausbeutung und Rassismus

Neben indonesischen Arbeiter:innen in den Minen und Schmelzen des IMIP und an anderen Standorten haben auch chinesische Arbeiter:innen gelegentlich für kurze Zeit die Arbeit niedergelegt oder sich über die Missstände beschwert. Grössere gemeinsame Kämpfe hat es bisher jedoch nicht gegeben. Wie prekär das Verhältnis zwischen indonesischen und chinesischen Arbeiter:innen in der Nickelindustrie ist, zeigen die Auseinandersetzungen vom 14. Januar nach dem Streik bei GNI. Behördenvertreter machten «Provokateure» von aussen für die Gewalt verantwortlich, um vom Streik, der Ausbeutung und der Verantwortung von GNI abzulenken. Indonesische Medien schilderten die Ereignisse wiederum als «horizontalen Konflikt» zwischen chinesischen und indonesischen Arbeiter:innen.

Tatsächlich spielt auch der in Indonesien verbreitete Rassismus gegen Chines:innen eine Rolle. Von früheren Regimes geschürt, führte dieser Ende der Neunziger auch zu antichinesischen Pogromen. Das protzige Auftreten chinesischer Unternehmen und die Anstellung Tausender chinesischer Arbeiter:innen zu deutlich besseren Bedingungen verstärkt diese Ressentiments. Indonesische Aktivist:innen und kritische Journalist:innen weisen jedoch darauf hin, dass hinter den Auseinandersetzungen die Ausbeutung durch chinesische und indonesische Unternehmen steht, die Arbeiter:innen aus beiden Ländern trifft.

Die BRI hat chinesischen Unternehmen geholfen, die Kontrolle über die indonesische Nickelindustrie zu übernehmen. Mit den niedrigen Arbeitskosten konnten sie die Produktion enorm erweitern, weil sie für die neuen «grünen» Technologien gebraucht wird – primär für einen angeblich sauberen Individualverkehr in China und in Ländern des Globalen Nordens. Den sozialen und ökologischen Preis zahlen die dafür Beschäftigten, ob heimische oder chinesische. Doch auch die Anwohner:innen sind betroffen. Diese klagen über Landenteignungen, enorme Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung sowie Überschwemmungen, die vom Tagebau ausgelöst werden. Weitere Auseinandersetzungen sind zu erwarten.