Kost & Logis: Alijaj, Rosenwasser, Züri West

Nr. 50 –

Ruth Wysseier sucht den Silberstreifen am Horizont

Letzte Woche verfolgte ich per Livestream, wie der Ständerat den Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative diskutierte und dann mit 25 zu 18 Stimmen verwarf oder, wie die jurassische SP-Ständerätin Mathilde Crevoisier Crelier formulierte: dem Anliegen eine Ohrfeige verabreichte. Auf den ersten Blick ein Sieg für Bauernpräsident Markus Ritter. Die Mehrheit foutierte sich darum, dass der Gegenvorschlag sehr breit abgestützt war und die bäuerlichen Anliegen grösstenteils aufnahm.

Die hinter der Initiative stehenden Umweltverbände hätten diese zurückgezogen, wenn das Parlament dem Gegenvorschlag zugestimmt hätte. Nun werden wir wohl nächstes Jahr über die Initiative abstimmen – und ich wette, dass sie angenommen wird und sich Ritters Sieg als Eigengoal erweist. Für den Schutz der Biodiversität ist das allemal besser.

Apropos Eigengoal: Die «Financial Times» hat Karin Keller-Sutter zu einer der 25 einflussreichsten Frauen weltweit gekürt. Ja, unsere Finanzministerin, die als ehemalige Dolmetscherin Englisch kann und Londons und Washingtons Wünsche für die CS-Abwicklung erfüllen konnte, glänzt international. Ich habe ja Zweifel, ob das alles so klug war mit der Bankenrettung diesen Frühling, doch bei der UBS sind sie gut drauf. Iqbal Khan, Leiter der globalen Vermögensverwaltung der UBS, schwärmt in der «NZZ am Sonntag»: «Wir haben die einmalige Chance, eine komplett globale Bank, beheimatet in der Schweiz, zu sein.» Die Bank habe sich zum Ziel gesetzt, pro Jahr 150 Milliarden Dollar an neuen Kundenvermögen zu akquirieren. Dass das Parlament keine Lust zu haben scheint, der neuen Monsterbank irgendwelche Fesseln anzulegen, könnte sich als nächstes Eigengoal erweisen. Wenn es Keller-Sutter dann dereinst gelingt, die UBS zu retten, müsste ihr mindestens der Nobelpreis für Wirtschaft winken.

Für diese Jahresendkolumne habe ich mir vorgenommen, in allem auch etwas Positives zu sehen. Wir dürfen uns nicht von all den niederschmetternden Nachrichten lähmen lassen. Ein Trick dabei ist, so lange die Perspektive zu ändern, bis das Negative an den Bildrand rückt und das Positive ins Zentrum.

So kann man über die Wahlen im Oktober festhalten: Die SVP hat zugelegt, aber ebenso die SP, und Islam Alijaj und Anna Rosenwasser wurden in den Nationalrat gewählt. Je ein Meilenstein für die Behinderten- und die Queerbewegung.

Beim Klima wirds schon schwieriger, denn 2023 war das heisseste Jahr seit Messbeginn. Aber es hat unsere Reben dieses Jahr nicht verhagelt, und wir konnten noch im Oktober im See schwimmen. Ich genoss es jeden Tag und verbat mir ein schlechtes Gewissen, denn davon hätte das Klima ja auch nichts.

Kuno Lauener hat Multiple Sklerose und wird wohl nie mehr auf der Bühne stehen. Aber Züri West hat unzählige wunderbare Songs in die Welt gesetzt und jetzt noch einmal nachgelegt – leise melancholisch, passend zu diesem Dezember.

Ruth Wysseier ist Winzerin am Bielersee.