Menschenwürdige Architektur: Bauen für eine bessere Welt

Nr. 2 –

Visualisierung der «Essential Home»-Behausungen
Hält auch Stürmen und Erdbeben stand: Das «Essential Home» könnte die Standardzelte der Uno-Flüchtlingshilfe ersetzen. Visualisierung: Norman Foster Foundation

Weltweit sind über hundert Millionen Menschen auf der Flucht – vertrieben von Krieg, Gewalt und den Folgen der Klimaerhitzung. Nur ein Bruchteil von ihnen versucht, sich Richtung Europa durchzuschlagen: Die grosse Mehrheit sind Binnenflüchtlinge oder sind nach schlimmen Erlebnissen in Zwischenlagern gestrandet, in Kutupalong, Zaatari, Kakuma oder Moria. Was würde es ändern, die globale Dimension der sogenannten Flüchtlingskrise aus der Perspektive dieser Menschen zu sehen, vierzig Prozent von ihnen Kinder – und dabei das Bedürfnis nach Schutz, das Menschenrecht, ein Dach über dem Kopf zu haben, tatsächlich ernst zu nehmen?

Ein Standardzelt der Uno-Flüchtlingshilfe ist 23 Quadratmeter gross und eine höchst fragile, kurzlebige Hülle. Das kann doch nicht die Antwort sein, sagen sich immer mehr Architekt:innen und suchen nach Alternativen. Die aktuellste gab es an der vergangenen Architekturbiennale in Venedig als Prototyp zu sehen: Das «Essential Home» wurde in einem Forschungsprojekt der Norman-Foster-Stiftung entwickelt – ein Bau mit 36 Quadratmetern Wohnfläche, der von aussen wie eine Mischung aus Iglu und Hangar wirkt. Innen ist er flexibel gestaltbar, Küche, WC und Dusche gehören dazu.

Um das Haus in drei bis vier Tagen aufzubauen, braucht es weder Fachleute noch schweres Hilfsgerät. Seine Hülle besteht aus textilen Betonmatten, die über eine formgebende Gitterstruktur gelegt und bewässert werden; nach 48 Stunden sind sie hart und halten, so Norman Foster in einem Interview, auch Stürmen und Erdbeben stand. In Monsungebieten lässt sich das Haus auf Stelzen stellen, andernorts an klimatische Extrembedingungen wie Hitze oder Kälte anpassen. Das «Essential Home» besteht aus mehrheitlich rezykliertem Material, das vollständig wiederverwertbar ist. Und es lässt sich umfunktionieren, zu einer Schule etwa oder einem Spital.

Noch ist es um ein Vielfaches teurer als ein Notfallzelt der Uno für 360 Franken. Dafür soll es mindestens zwanzig Jahre halten. Auch wenn man den Bewohner:innen nicht wünscht, so lange darin ausharren zu müssen.