Medientagebuch: Amputierte Weltsicht

Nr. 9 –

Anna Wegelin über das Ende der Presseagentur «InfoSüd»

Das Communiqué, der deutschsprachige Betrieb von «InfoSüd» sei Ende 2012 eingestellt worden, verpuffte im Äther. Den hiesigen Tageszeitungen, denen die unabhängige, von der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft Alliance Sud mitgetragene «Presseagentur mit Weltsicht» seit 1997 wöchentlich Artikel zu Nord-Süd-Themen angeboten hatte, war deren Untergang nicht einmal eine Meldung wert.

Das ist kein Wunder, kämpfen doch die meisten Auslandredaktionen ums eigene Überleben: Agenturmeldungen ersetzen die zu teuren KorrespondentInnen, knackige lokale News und Personality-Storys verdrängen anspruchsvolle Features und Analysen, wie sie der «InfoSüd»-Dienst lieferte. Dieser bot, in seinen eigenen Worten, «Alltägliches und Aussergewöhnliches hier und in aller Welt» an, schrieb «über Hoffnungen und Sorgen der Menschen, über Arbeit, Ausländer, Migration und Tourismus, über Handel und Wirtschaft, Entschuldung und Umwelt, humanitäre Hilfe oder neue Technologien von Gentechnik bis Internet».

Mit der Schliessung des Pressebüros an der Monbijoustrasse in Bern verliert auch Viera Malach, «InfoSüd»-Geschäftsleiterin der ersten Stunde, ihren Hauptjob. Viele engagierte JungjournalistInnen haben mit ihr in den vergangenen fünfzehn Jahren Zeitungen, Zeitschriften und Onlinemedien im deutschsprachigen Raum mit sorgfältig recherchierten Beiträgen versorgt: für eine wichtige Sache.

Laut Malach hat die Konzentration auf dem Medienmarkt dazu geführt, dass in den letzten Jahren immer weniger Redaktionen «InfoSüd»-Texte bestellten. Auch andere Aufträge gingen zurück: Ende 2012 wurde die Webplattform Interportal.ch für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik eingestellt, deren Redaktion bei «InfoSüd» angesiedelt war.

Man habe die knapper werdenden finanziellen Mittel der Redaktionen auf das eigene KorrespondentInnennetz konzentriert, sagt zum Beispiel Willi Herzig, langjähriger Leiter des Auslandressorts bei der «Basler Zeitung» (bis 2009), bevor sie zum Blocher-Blatt wurde. Das Nachsehen hätten freie JournalistInnen gehabt sowie Anbieter wie «InfoSüd», die Herzig als ein «Nischenprodukt» bezeichnet.

Nach Meinung von Ruedi Suter, freier Journalist und Buchautor in Basel, ist genau die Nische «Weltsicht», wie sie «InfoSüd» für sich beanspruchte, vital für das kollektive Bewusstsein. Das Ende des Pressediensts ist für Suter – der unter anderem ein Buch über Bruno Manser verfasste – einfach nur deprimierend. «InfoSüd» sei ein «absolutes Muss für alle gewesen, um die Vorgänge in der globalisierten Welt wenigstens im Ansatz zu verstehen und auf sie reagieren zu können», schreibt er in einem Statement für die WOZ.

Mit der Schliessung von «InfoSüd» falle die «notwendige Auseinandersetzung mit den ‹Anderswelten› dieser Erde» weg, kritisiert Suter. Und dies «just zum Zeitpunkt, wo die Globalisierung ein permanentes und genaues Hinschauen und Berichten erfordern würde». Dabei gewännen die Vorgänge in den Entwicklungs- und Schwellenländern und ihre Milliarden Menschen doch ständig an politischer, kultureller und wirtschaftlicher Bedeutung, sagt Suter.

Ein kleiner Lichtblick bleibt: Das französischsprachige Büro «InfoSud» in Genf besteht weiter. Aktuelle Themenangebote und Hintergrundberichte zu Nord-Süd-Fragen werden auf Anfrage auf Deutsch übersetzt.

Anna Wegelin ist Journalistin und 
freie WOZ-Mitarbeiterin. «InfoSud» ist 
unter www.infosud.org zu erreichen.