Durch den Monat mit Fatima Moumouni (Teil 1): Wie reagieren Sie, wenn jemand fragt, woher Sie sind?

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Die Slampoetin Fatima Moumouni hat einmal einen Text geschrieben, in dem sie sich als «Quotennegerin» bezeichnete. Warum sie diesen Text nicht mehr vorliest und wie sie überhaupt zur Slam Poetry gekommen ist.

Fatima Moumouni: «Als Kind wollte ich ein Buch schreiben, habe dann aber irgendwann angefangen zu rappen.»

WOZ: Frau Moumouni, Sie wirken recht krass, wenn Sie über Ihre eigene Stigmatisierung rappen, singen und sprechen. Fühlen Sie sich immer wohl dabei?
Fatima Moumouni: Nein, es gibt auch unangenehme Momente. Gerade letztens kam einer nach einem Auftritt zu mir und meinte, Sie sprechen aber gut Deutsch. Als ich ihm sagte, ich sei in Deutschland geboren und aufgewachsen, bestand er trotzdem darauf, dass meine Sprachkenntnisse für mein Aussehen bemerkenswert seien. 

Aber es erstaunt ja nicht, dass Sie auf Ihre Herkunft angesprochen werden. An der Universität Zürich trugen Sie einen Text vor, in dem Sie sich selbst als «Quotennegerin» bezeichnen.
Damit wollte ich zeigen, dass es auch eine Alltagsversion von Rassismus gibt, die kaum wahrgenommen wird. Den Text mache ich heute jedoch nicht mehr. 

Wieso nicht? Wurden Sie deshalb angefeindet?
Nicht direkt. Obwohl ich lange darauf gewartet hatte, dass mal jemand findet: Fatima, das geht jetzt echt zu weit! Aber erst vor einigen Monaten habe ich dann einen Brief erhalten, ob mir bewusst sei, dass ich mit dem Text Weisse dazu legitimiere, das Wort zu benutzen. Obwohl ich nicht finde, dass ich das mit dem Text tue, musste ich mir bewusst werden, dass ich die Reaktion des Publikums nicht unter Kontrolle habe. Mein Text soll kein Freifahrtschein sein, um über Schwarzenwitze zu lachen.

Was halten Sie davon, dass sich in Hip-Hop-Videos die Rapper als «Nigger» bezeichnen?
Es ist okay, mit den eigenen Stigmata zu spielen – solange eine kritische Reflexion dahintersteckt. Das können meist nur Menschen, die selbst von diesem Stigma betroffen sind. Darum sollten Weisse das Wort nicht benutzen, egal in welchem Kontext.

Im schon angesprochenen Text beschreiben Sie folgende Szene: Jemand fragt Sie, woher Sie sind, Sie sagen: «Deutschland», dann folgt immer die Frage: «Ja schon, aber richtig?» Warum wollen die Leute, dass Sie sagen: «Ich bin aus Ghana»?
Weil sie ein klares Bild davon haben, wie eine Deutsche aussieht – und ich passe da nicht rein. Es ist schwierig, davon wegzukommen. Das ist verständlich, aber auch voll scheisse. Man kann der Frage nicht ausweichen. In einem normalen ersten Gespräch würdest du nie über deine Eltern reden, aber durch die Frage bin ich immer gezwungen, meine Lebensgeschichte und die meiner Eltern zu erzählen. Es gibt keine Gegenfrage, die diese Intimität zurückgeben würde.

«Woher bist du?» ist also eine unterschätzte Frage.
Die Frage wird meist aus echtem Interesse und nicht aus Bosheit gestellt. Aber viele sind sich nicht bewusst, was sie damit implizieren. Darum ist es echt schwierig, mit der Situation klarzukommen. Es nervt einfach, dass alle davon ausgehen, dass du nicht Deutsche bist. Auch meine Kinder werden noch einen dunklen Teint haben. Da frage ich mich: Ab wann bin ich denn Deutsche? Reicht es nicht, dass ich in München aufgewachsen bin?

Wie reagieren Sie, wenn Sie jemand fragt, woher Sie sind?
Ich nehme mir immer vor, was Schlaues zu sagen: «Aus Oberbayern» oder «aus dem Bauch meiner Mutter». Aber es ist zu anstrengend, immer beweisen zu müssen, dass man keine Ausländerin ist. Es ist einfacher zu sagen: Ich bin aus Ghana. Das Label stimmt zwar nicht, aber ich muss mich nie dafür verteidigen.

Ich habe eine steile These: Dass Sie schwarz sind, eine Frau, Deutsche in der Schweiz, Muslima und Künstlerin, das kann auch ein Vorteil sein.
Es ist schon so, dass ich glaubwürdiger bin, wenn es um Migration und Diskriminierung geht. Darum werde ich häufig an solche «Wir sind eine Welt»-Veranstaltungen eingeladen, wie ich sie nenne. Aber es kann auch mühsam sein, dass die Leute diese Minderheiten auf mich projizieren, denn oft reduzieren sie mich auch darauf. Bei einem Text singe ich am Anfang. Da meinte mal einer, jetzt hätte ich aber schon die «Big Mama»-Karte gespielt. Es ist also ein zweischneidiges Schwert.

Wie sind Sie eigentlich zum Slam gekommen?
Ich habe einfach immer geschrieben. Als Kind wollte ich ein Buch schreiben, habe dann aber irgendwann angefangen zu rappen. Durch das Rappen bin ich zum Slam gekommen. Eine Freundin ermutigte mich, an einem Poetry-Workshop teilzunehmen. Das wurde dann etwas Regelmässiges, und irgendwann habe ich mich getraut, meine Texte vor Publikum vorzutragen. Das ist jetzt vier Jahre her. Da war ich also siebzehn oder achtzehn Jahre alt.

Worüber würden Sie nie schreiben?
Ich habe keine Lust, auf der Bühne über Liebe zu sprechen. Es wäre mir unangenehm, so viel von mir preiszugeben. Für Bühnen habe ich auch nicht das Bedürfnis, über religiöse Gefühle zu schreiben.

Aber das Interesse am Islam ist doch riesig.
Schon, aber ich habe für mich noch keinen Weg gefunden, darüber zu sprechen.

Fatima Moumouni (22) wurde 2012 
U20-Vizemeisterin der deutschsprachigen Slammeisterschaften. Mittlerweile ist 
sie von München nach Zürich gezogen und studiert hier Ethnologie.