Permanente Überwachung: Der Spion in der Hosentasche

Nr. 40 –

Von Ein-Klick-Infektion und Null-Klick-Infektion: Wie «Predator» funktioniert.

Infografik zur Predators Infektionstaktik

«Ein robuster Agent, installiert auf dem Gerät der Zielperson»: So bewirbt Intellexa sein bekanntestes Produkt, Predator. «Der Agent verschafft Zugang zu einem ausführlichen Set von Applikationen und Daten, die auf einem Mobiltelefon gespeichert sind, sowie aktive Kontrolle über gewisse Überwachungsfunktionen (z. B. Bildschirmfotos, Öffnen und Aufnehmen des Mikrophons, Kamera aktivieren)», heisst es in der Werbebroschüre weiter.

Intellexa hat die Möglichkeit, den Spion über einen Null-Klick- oder einen Ein-Klick-Angriff aufs Zielgerät zu laden. Bei einem Null-Klick-Angriff mit Predator braucht es eine räumliche Nähe zur Zielperson. In einem Auto oder in einem Koffer versteckte Abfangtechnologie stört dabei das Empfangssignal des Zielgeräts und öffnet der Infektionssoftware die Tür, um sich unbemerkt einzunisten. Beim ersten Internetkontakt wird Predator automatisch aktiviert und beginnt mit seiner Arbeit im Dienst der Überwacher:innen.

Die Ein-Klick-Infektion erfolgt aus der Ferne, braucht jedoch ein aktives Zutun der Zielperson. Diese erhält einen falschen Link zugeschickt. Sobald dieser angeklickt wird, erfolgt die Infektion. Ab dann hat Predator Zugriff auf Anrufprotokolle, SMS, Nachrichtendienste wie Whatsapp, Telegram oder Signal sowie Fotos, Videos, den Browserverlauf, Ortungsdienste und vieles mehr. In anderen Worten: Die Überwacher:innen können mit dem Gerät mehr anstellen als die Nutzer:innen selbst. Sie können auch Nachrichten abfangen und verfälschen.

Die Möglichkeiten, die Spionagesoftware wie Predator eröffnet, sind enorm. In einer Gesellschaft, in der das Smartphone und die digitale Kommunikation die Grundlage gesellschaftlicher Interaktion sind, bedeuten der Zugriff auf praktisch sämtliche Daten und die Möglichkeit der Fremdsteuerung eines Geräts bisher ungekannte Möglichkeiten, eine Person in Echtzeit zu überwachen. Mehr noch: Ihre Kommunikation kann manipuliert werden.

Ist die Spyware einmal aufs Gerät geladen, trägt die Zielperson den Agenten ständig mit sich herum. Im Café mit Freund:innen? Predator ist dabei. Bei einem intimen Gespräch mit der Lebenspartner:in? Predator hört nicht nur mit, sondern kann das Gesagte gar aufnehmen. Ein Selfie mit der Nichte? Es landet im digitalen Kontrollraum, der zum Predator-Paket dazugehört. Und egal wohin eine Person sich bewegt: Ist das Handy in der Tasche, sind auch die Überwacher:innen dabei.

Das Missbrauchspotenzial ist riesig, der Eingriff in die Privatsphäre ebenfalls. Die Kontrolle der Anbieter und der Anwender bleibt derweil schwach und intransparent.

* Lorenz Naegeli ist Teil des WAV-Recherchekollektivs: www.wav.info

Internationale Kooperation: Zur Recherche

Gemeinsam mit internationalen Partnern recherchierte die WOZ während über einem Jahr zu den Geschäften der sogenannten Intellexa-Allianz – eines führenden Anbieters von höchst umstrittener Überwachungstechnologie wie zum Beispiel der Spionagesoftware Predator.

Ausgangspunkt für die Recherche waren vertrauliche Dokumente, die das französische Portal «Mediapart» und das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» erhielten. Dabei handelt es sich um Akten aus französischen Ermittlungen sowie um Unterlagen zum deutschen Rüstungskonzern Hensoldt mit Hinweisen auf Intellexa.

Die internationale Recherche hat das Mediennetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) koordiniert. Folgende EIC-Mitglieder waren beteiligt: «Mediapart» (Frankreich), «Der Spiegel» (Deutschland), «NRC» (Niederlande), «Politiken» (Dänemark), «Expresso» (Portugal), «Le Soir» (Belgien), «De Standaard» (Belgien), «VG» (Norwegen), «infolibre» (Spanien) und «Domani» (Italien). Für diese Recherche hinzu kamen «Shomrin» (Israel), «Reporters United» (Griechenland), «Daraj Media» (Libanon), die «Washington Post» (USA) und die WOZ. Unterstützt wurden sie fachlich vom Security Lab von Amnesty International.

Die Publikation erfolgt zeitgleich in den beteiligten Medien. Die Partner werden in den kommenden Tagen weitere Berichte veröffentlichen. Auch auf www.woz.ch und in der nächsten Ausgabe folgen zusätzliche Beiträge.

Predator Files Logo

Recherchierfonds

Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser:innen.

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