Israel und Palästina: Tage von Hoffnung und Schmerz

Nr. 48 –

Die Feuerpause macht die Traumata der israelischen Geiseln wie auch die humanitäre Katastrophe in Gaza sichtbar.

Es waren sechs Tage voller Erleichterung, Hoffnung und Schmerz für den Nahen Osten. Sechs Tage, in denen die Waffen ruhten und in denen sechzig israelische Geiseln zurück nach Israel kamen – für Mittwochabend wurde die Rückkehr von weiteren zehn Geiseln erwartet. Die Freude darüber bewegt das ganze Land. Gleichzeitig wurde für viele der Freigelassenen der Tag ihrer Befreiung aus der Geiselhaft auch zum Tag, an dem sie erfuhren, dass ihre Eltern oder Freund:innen am 7. Oktober ermordet worden waren.

Von den Freigelassenen dringen erste Berichte über die Bedingungen in der Geiselhaft an die Öffentlichkeit: So habe sich ein Zwölfjähriger, der ohne Eltern entführt wurde, Videos der Hamas-Gräueltaten ansehen müssen. Wenn ein Kind geweint habe, sei es mit Gewehren bedroht worden. Die Auswirkungen auf die Psyche der Freigelassenen werden erst mit der Zeit deutlich: Ein Vater erzählt auf CNN, dass seine neunjährige Tochter nur noch flüstere und sich in den Schlaf weine.

Zeit für Hilfe ist knapp

Es waren auch sechs Tage der Erleichterung für palästinensische Kinder, Frauen und Männer im Gazastreifen, die vorläufig ohne Angst vor israelischen Bombardements einschlafen konnten. Hilfsgüter kamen in den Gazastreifen, aber Uno-Generalsekretär António Guterres warnte am Montag, dass die vereinbarte Dauer der Waffenruhe nicht ausreiche, um dem Gazastreifen die humanitäre Hilfe zu liefern, die dringend benötigt werde. Gerüchten zufolge soll die Hamas einige der Lieferungen für sich in Anspruch nehmen und nicht weiterleiten.

Im Gegenzug zu den Geiseln wurden 180 vornehmlich jugendliche Palästinenser:innen aus israelischen Gefängnissen entlassen und konnten zu ihren Familien zurückkehren. Für Mittwoch wurde die Freilassung von dreissig weiteren Gefangenen erwartet. Diejenigen, die in Ramallah im Westjordanland freikamen, wurden jubelnd empfangen – zwischen palästinensischen Fahnen und denen der Hamas. 19 Thailänder:innen und ein Filipino wurden zudem in einem separaten Deal von der Hamas freigelassen. Diese kündigte an, zusätzlich zu einer russisch-israelischen Geisel auch weitere russische Geiseln freizulassen – als Tribut an Präsident Wladimir Putin, der die Terrororganisation unterstützt.

In der ursprünglichen Vereinbarung wurden zunächst vier Tage Waffenstillstand ausgehandelt, mit der Option auf eine Verlängerung auf maximal zehn Tage. Einmal gab es schon eine Verlängerung, vor Redaktionsschluss sah es so aus, als könnte eine weitere folgen.

Spannungen in Israel

Währenddessen wachsen die Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft über die Frage, ob die Waffenruhe noch weiter ausgedehnt werden soll. Ministerpräsident Netanjahu hatte seinen rechtsextremen Koalitionspartner:innen versprochen, die Waffen nicht länger als zehn Tage ruhen zu lassen. Und so stehen sich nun die gegenüber, die jede Gelegenheit zur Freilassung weiterer Geiseln nutzen wollen und befürchten, dass eine Wiederaufnahme der Kämpfe deren Leben gefährden könnte, und jene, die das militärische Ziel, die Hamas zu entmachten, durch eine längere Feuerpause gefährdet sehen. Für die Zivilbevölkerung in Gaza, deren katastrophale Situation in den Tagen der Feuerpause sichtbar wird, wäre eine solche dringend nötig.