Baden im Luxus: Rundherum fläzende Körper

Nr. 1 –

Illustration von Luca Schenardi: Edelstein

Durch ein sternförmig gemustertes Art-déco-Glasdach fällt Licht auf das Wasser eines prunkvollen runden Schwimmbeckens. Am Rand liegt vor einer blauen Mosaikwand zwischen zwei grün schimmernden, mit Aloe-vera-Blättern aus Keramik verzierten Säulen eine alte, nackte Frau wie ein römischer Kaiser auf einem Liegestuhl und schmiert sich ihren grossen Busen ein. Dann holt sie ein mitgebrachtes Wurstbrot hervor und beisst genüsslich ab. Ich sitze im fürstlichen Becken aufgeweicht, fett und glücklich im 39 Grad warmen Wasser neben einer Freundin und sage: «Das hier ist der utopischste Ort in ganz Wien.»

Wir sind im Damensaunabereich des Amalienbads, eines Hallenbads am Reumannplatz. Der Platz ist ein Synonym für Problemgegend, Ausländerviertel und paranoide rechte Fantasien. Ein Verkehrsknotenpunkt in Favoriten, dem drittärmsten Bezirk Österreichs. Hier steht eines der schönsten Hallenbäder Europas. Für fünfzehn Euro kann man sich den ganzen Tag in verschiedenen Pools und Saunen zergehen lassen, bis Seele und Körper mit Wohlbefinden vollgesogen sind, und danach mit buttrigen Knien auf einen Döner gehen.

Die Damensauna ist eine von sechzehn städtischen Saunen in Wien. In den 1920ern wurde diese Badeanstalt als Manifestation sozialdemokratischer Aufbruchstimmung absichtlich genau hier, in den schon damals ärmsten Arbeiterbezirk von Wien, gebaut und mit den Schlagzeilen «Das Bad im Proletenviertel» feierlich eröffnet. Mit dem Amalienbad baute man also ein städtisches Luxusspa mit kunstvoller Innenausstattung mitten ins Ghetto für jene, die zuvor in Not und Elend lebten.

Das konservative Bürgertum war entsetzt und schrieb gegen das rote Feindbildprojekt in der «Reichspost», dem Zentralorgan der Christlich-Sozialen Partei, an: «Die Gemeindeverwaltung trieb einen Luxusaufwand, der mit ihrem Vernichtungskrieg gegen allen Luxus in schreiendstem Widerspruch stand. Auch Proletarier brauchen Bäder. Also baute man ihnen einen kostspieligen Badepalast, in dem sie sich gar nicht heimisch fühlen.» Doch alle nackten, fläzenden Körper um uns herum fühlen sich pudelwohl.

Stefanie Sargnagel ist Autorin, Cartoonistin und Kabarettistin. Kürzlich erschien ihr neues Buch «Iowa» im Verlag Rowohlt.

Illustration: Luca Schenardi