Leser:innenbriefe

Bahnhof verstehen
«Der CS-Lobbyist: Alles nur für Land und Kinder», WOZ Nr. 16/23
FDP-Ständerat Ruedi Noser ist einer, der für das Kapital arbeitet. Zugunsten der «Gesamtwirtschaft», wie er sagt. Die sogenannten Limited Qualified Investment Funds (L-QIF) werden nun praktisch unter dem Radar der Medien eingeführt. Sie sollen ein Investitionsvolumen von fünf bis zehn Milliarden Franken anziehen.
Ein Investmentfonds ist nichts anderes als ein Vehikel, über das eingesammeltes Kapital in etwas investiert wird, etwa in Immobilien. Da Kapital immer nach neuen Möglichkeiten der Vermehrung sucht, haben jene Finanzinstitute Vorteile, die neue «kreative» Produkte möglichst rasch und kostengünstig auf den Markt bringen. Dazu brauchen sie ein Umfeld mit möglichst wenig Vorschriften. Das ist bisher vor allem in Luxemburg, Irland und Liechtenstein der Fall. Und bald auch in der Schweiz. Die Finanzmarktaufsicht Finma verzichtet in Zukunft auf eine Bewilligungspflicht.
Die ganze Geschichte ist ein wunderbares Beispiel, wie die Finanzplatzlobby ihre Geschäfte ausweitet. Die Deregulierung ist hier zwar nur punktuell, aber sie zeigt einen Mechanismus, der überall zu beobachten ist. Die Branche will/muss sich immer weiter ausdehnen.
Zu Recht beklagte sich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran über das fehlende Interesse der Medien an dieser abstrakten und hochkomplexen Materie. Die Lektüre der Parlamentsprotokolle zeigt, dass der sogenannte volkswirtschaftliche Nutzen der «angemessenen Deregulierung» (Noser) in keiner Weise beziffert wird. Man liess die Linke einfach auflaufen, bereits in der Finanzkommission. Die damalige grüne Nationalrätin Regula Rytz dazu: «Es ist eine Blackbox. Mehrere gestandene Wirtschaftspolitikerinnen und -politiker haben während der Beratung offen eingestanden, dass sie von dieser ganzen Geschichte nur Bahnhof verstehen.»
In Bezug auf das Ringen um Lösungen in Sachen Monsterbank UBS sind die Herausforderungen für die Parlamentarier:innen noch um ein Mehrfaches höher. Mir graut davor.
Urs Schnell, Bern
Keine Fatalität
«Künstliche Intelligenz: ‹Diese Ideologie grenzt an Sektenwahn›», WOZ Nr. 18/23
Ja okay, Offenheit, staatliche Kontrolle, das hört sich gut an und wird alleine schon deshalb nicht funktionieren, weil «der Staat» ja erfahrungsgemäss auch nicht über alle Zweifel und Interessen erhaben ist.
Die grundsätzliche Frage will aber anscheinend kaum jemand stellen. Wozu sollen Maschinen, die Texte schreiben und mehr, überhaupt gut sein? Wenn Maschinen den Menschen von schwer erträglichen Tätigkeiten befreien, ist das ja wünschenswert, wobei selbst das ja weltweit betrachtet noch immer nicht funktioniert. Warum sollen Maschinen den Menschen aber bei Tätigkeiten wie Texte schreiben, Bilder kreieren, Fahrzeuge lenken et cetera ersetzen? Warum soll man das wollen?
Es wäre allmählich angebracht, technische Entwicklungen nicht als Fatalität zu betrachten, sondern eine grundsätzlichere Kritik zu formulieren, zu hinterfragen, ob das wirklich die Richtung sein soll oder ob das nicht einfach alles ein Teil des eingeschlagenen Holzwegs ist. Eine Grundfrage könnte jeweils sein: Ist das, was wir in der durch die Maschine «gewonnenen» Zeit tun, wirklich interessanter als die ursprüngliche Tätigkeit? Und wenn ja, warum?
Georg Traber, La Vraconnaz