Foto-«wobei»: Erinnerungsorte in der Landschaft des Vergessens: Die Fotografien

wobei 5/

Gewässer in Genf
Hinrichtung: Genf

Beschreibungen zu den Fotografien weiter unten

Wiese in Stans NW
Spukhaus: Stans NW
Doppeltüren an einem Hauseingang in Endingen AG
Doppeltüren: Endingen AG
Arvenwald in Hinterrhein GR
Arvenaufforstung: Hinterrhein GR 
Gebäude in Unterbäch VS
Frauenstimmrecht: Unterbäch VS
Pavillon auf dem Platzspitz in Zürich
Needle Park: Zürich
Steinbruch in Riveo TI
Kinderarbeit: Riveo TI
Steinbock im St. Galler Tierpark Peter und Paul
Steinbockschmuggel: St. Gallen
gemähte Wiese in Appenzell AI
Bauernheimaten: Appenzell AI
versiegelter Zugang zum Versuchsreaktor in Lucens VD
Versuchsreaktor: Lucens VD
 
zugewachsener Canal d’Entreroches bei Orny VD
Canal d’Entreroches: Orny VD
Grenzstein bei Wittnau AG
Niemandsland: Wittnau AG
asphaltierte Fläche bei Finsterwald LU
Gasförderung: Finsterwald LU
Gletscherabbruch in Mattmark VS
Gletscherabbruch: Mattmark VS
Treppe der heutigen Villa Zum Schlossgarten in Aarau AG
Bundeshaus: Aarau AG
Kantonsstrasse in Göschenen UR
Gotthardstreik: Göschenen UR
Ruine des ehemaligen Internierungslager bei Büren BE
Internierungslager: Büren BE
Salzbohrtürme in Bad Zurzach AG
Salzbohrtürme: hier bei Bad Zurzach AG
Wald in der Gemeinde Glarus Süd
New Glarus: Mühlebachtal GL
 
Leiter in die Reuss an der Spreuerbrücke in Luzern
Waschleiter: Luzern
 
Blache mit Blut eines Tieres
Elefantenerschiessung: Murten FR
Carparkplatz in Zürich, wo das ehemalige Autonome Jugendzentrum stand
Autonomes Jugendzentrum: Zürich
Treppe im Zuger Regierungsgebäude
Amoklauf: Zug
Areal des Friedhof Eichbühl in Zürich
Notfriedhof: Zürich
von Dornen überwachsene Mulde auf dem Kassernenareal in Zürich
Handgranatenmulde: Zürich

 

Parkplatz beim Kantonsspitals Glarus
Hexenverfolgung: Glarus
überwuchertes Areal des ehemaligen Tanklager in Eglisau ZH
Tanklager: Eglisau ZH

Amoklauf: Zug

Vierzehn Politiker:innen hat er ermordet, vierzehn weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Das Attentat eines schwer bewaffneten Mannes im Zuger Regierungsgebäude am 27. September 2001 erschüttert die Schweiz. Nach dem Gemetzel erschiesst sich der Amokläufer selbst. Ausser Tod und Traumatisierung sind strengere Sicherheitsbestimmungen in Schweizer Amtsgebäuden die Folge sowie ein endlich etwas schärferes Waffenrecht. Wenige Tage zuvor hatten Terroristen enführte Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center gesteuert, 3000 Menschen getötet und die westliche Welt tief schockiert.

Arvenaufforstung: Hinterrhein GR

Das Wort «Rheinwald» meint ein Tal, lateinisch «val», und keinen Wald, doch am oberen Hinterrhein werden heute wieder Arven angepflanzt. Im 13. Jahrhundert siedelten sich hier die Walser:innen an. Sie hatten die Alpenpässe offen zu halten und erhielten dafür Sonderrechte. Sie waren auf die Kultivierung kargster Regionen spezialisiert, schmolzen Eisenerz und besassen Ziegenherden, die nachwachsende Bäume abfrassen. So verschwanden die Arven aus dem Rheinwald. Auch der Tannenhäher verschwand, der von Arvennüsschen lebt und die Bäume dabei verbreitet. Durch die Roflaschlucht zog er sich ins nahe Schams zurück.

Autonomes Jugendzentrum: Zürich

An dieser Stelle wird Zürich verändert. In der Stadt sind Unruhen eskaliert. Die Jugend fordert soziale und kulturelle Freiräume. Der Stadtrat wirkt sklerotisch und bevorzugt Institutionen wie das Opernhaus. Doch nun trotzt ihm «die Bewegung» ein Alternatives Jugendzentrum ab. Das AJZ scheitert bald an übler Polizeirepression und an städtischen Drogenproblemen. 1982 wird es abgerissen. Einen Carparkplatz gab es hier zwar schon zuvor, aber nun ist er grösser. Die Jugend lässt sich trotzdem nicht auf‌halten und übernimmt das Kulturleben schrittweise. Wer überlebte, steht heute vor der AHV.

Bauernheimaten: Appenzell AI

Die Mendle ist eine grosse Allmendgenossenschaft in Appenzell Innerrhoden. Sie besteht aus Streuwiesen und gibt nicht viel her, bis in den dreissiger Jahren mit der Entwässerung begonnen wird. 1938 beschliesst eine «Mendle-Gemeinde» in der Pfarrkirche von Appenzell, zur Arbeitsbeschaffung dreizehn Bauernhöfe zu bauen und diese in Pacht abzugeben. Zunächst dient das Gelände der kriegswirtschaftlichen Anbauschlacht. Die Höfe werden erst nach dem Krieg errichtet. Sie haben eine Grösse von viereinhalb bis sechs Hektaren. Etwas klein für die beginnende Motorisierung der Landwirtschaft. Aber das Gelände bleibt Gemeinbesitz.

Bundeshaus: Aarau AG

Wie alle grossen Revolutionen verhielt sich die Helvetische Revolution von 1798 recht unstet. Zum Beispiel wechselte sie dreimal die Hauptstadt. Aber vielleicht liess sie auch einfach das Prinzip der alten Eidgenossen weiterleben, die sich meist an wechselnden Tagsatzungsorten trafen. Erster Regierungssitz der ersten schweizerischen Republik, die sich auf Freiheit, Gleichheit, auf die Menschenrechte berief, erstes Bundeshaus war jedenfalls die heutige Villa Zum Schlossgarten im damals überaus revolutionären Aarau.

Canal d’Entreroches: Orny VD

Von der Idee, die Schweiz mit Kanälen für Warentransporte schiffbar zu machen wie Frankreich, ist oft geträumt worden: Eine Verbindung zwischen Rhein und Rhone gehörte dazu, und mit dem Bau des Canal d’Entreroches vom Neuenburger- an den Genfersee wurde 1638 begonnen. Bei Cossonay, oberhalb von Lausanne, nahm das Unternehmen ein Ende: Der Abstieg hätte zu viele Schleusen vorausgesetzt, die niemand finanzieren wollte. Der Kanalstummel wurde einige Zeit lokal genutzt, der Schiffsweg von der Nordsee zum Mittelmeer wurde aber ebenfalls in Frankreich und nicht in der Schweiz verwirklicht.

Doppeltüren: Endingen AG

Wie es heisst, sind die Doppeltüren vieler Häuser in Endingen und Lengnau darauf zurückzuführen, dass Jüd:innen und Christ:innen nicht beieinander wohnen durften. Im 18. Jahrhundert waren die zwei Dörfer im Aargauer Surbtal die einzigen Orte der Schweiz, an denen Behörden die Niederlassung von jüdischen Menschen erlaubten. Wegen des Verbots, eine Liegenschaft zu kaufen, brauchten sie aber christliche Vermieter. Heute sieht man in den Doppeltüren gerne eine List, mit der aus einem Haus zwei geworden sind. Ob es so war oder nicht: Man spricht von der Konvivenz verschiedener Kulturen.

Elefantenerschiessung: Murten FR

In Murten wird im Juni 1866 der Elefant eines Wanderzirkus aggressiv. Er verletzt den Wärter schwer, tobt durch die Gassen und verzieht sich dann in einen Stall. Weil der Wärter stirbt, kann niemand das Tier mehr bändigen. Man will es töten, aber wie? In Italien hatte die königliche Menagerie 1852 einen tobenden Elefanten mit Rauch erstickt. Die Murtener beschaffen sich in Freiburg eine Kanone. Ein Artillerist übernimmt das Kommando. Man lockt den Elefanten mit Futter aus dem Stall, und sofort wird er ums Leben gebracht. Vom Kadaver gehen Haut und Knochen ans Museum, das Fleisch an die Bevölkerung.

Frauenstimmrecht: Unterbäch VS

Die NZZ findet das Vorgehen «dämlich» und meldet Monate später frohlockend, der «Frauenstimmrechtler» Peter von Roten – den sie als Initianten identifiziert hat – sei aus dem Grossen Rat abgewählt worden. Er ist der Ehemann von Iris von Roten, einer feministischen Pionierin der Schweiz. Die Verantwortung trägt aber der Gemeinderat von Unterbäch VS, der beschlossen hat, bei der eidgenössischen Abstimmung über einen obligatorischen Zivildienst für Frauen auch diese selber zu fragen. 33 Frauen stimmen am 3. März 1957 erstmals ab, ihre Zettel kommen in eine separate Urne. Die Stimmen werden vom Bund für ungültig erklärt.

Gasförderung: Finsterwald LU

1980 stösst eine Probebohrung im Entlebuch auf Erdgas. 1985 beginnt die AG für luzernisches Erdöl in Finsterwald mit der Ausbeutung. Das Gas wird in die nur sechs Kilometer entfernte Pipeline von Holland nach Italien eingespeist. In neun Jahren fördert man so 73 Millionen Kubikmeter, das sind drei Prozent eines schweizerischen Jahresverbrauchs, und die Erdgaspreise sinken. 1994 wird die Produktion abrupt eingestellt. Ohne die Bohrkosten von dreissig Millionen zu rechnen, gilt das Unternehmen als rentabel. Die Rückstellungen reichen aus, um das Loch mit Beton zu füllen. Und die Suche geht weiter.

Gletscherabbruch: Mattmark VS

Es hatte Warnungen gegeben. Hinter den Baracken krachten ab und zu schon Eisstücke vom Allalingletscher herunter. Die Elektrowatt als Bauherrin des Mattmark-Staudamms bei Saas-Almagell ignoriert das. Sie will die Arbeiten bis Jahresende abschliessen, lässt in Schichten arbeiten und gleich bei der Baustelle wohnen. Am 30. August 1965 bricht die Gletscherzunge ab, das Barackendorf wird unter Eis und Schutt begraben. 88 Menschen finden den Tod: 56 Italiener, 24 Schweizer, drei Spanier, zwei Österreicher, zwei Deutsche und ein Staatenloser. Sieben Jahre später sprechen Walliser Gerichte die Verantwortlichen frei.

Gotthardstreik: Göschenen UR

Die Ausländer, die den ersten Gotthardtunnel bauten, legten am 27. Juli 1875 die Arbeit nieder, da sie wegen schlechter Belüftung kaum atmen konnten, und blockierten den Tunneleingang bei Göschenen. Gleichzeitig verlangten sie mehr Lohn. Die Bauleitung forderte Truppen an. Am 28. Juli traf eine Meute von Polizisten und bewaffneten Zivilisten ein. Als die Tunnelarbeiter mit Steinen warfen, eröffneten sie das Feuer. Neben mehreren Verletzten blieben vier Tote auf dem Platz liegen, Arbeiter aus Parma und Turin. Beileibe nicht der erste, aber ein emblematischer Streik in der jungen und modernen Schweiz.

Handgranatenmulde: Zürich

Anfangs war der Exerzierplatz der 1876 fertiggestellten Zürcher Kaserne nicht umzäunt, die Bevölkerung der umliegenden Viertel tummelte sich darauf, was den Militärbetrieb störte. Gegen den Widerstand der Gemeinde Aussersihl baute der Kanton schliesslich Zäune, und aus dem Gelände mitten in der Stadt wurde eine verbotene Zone. Der Zaun verhinderte auch, dass die aufmüpfigen Arbeiter:innen, die oft mit der Armee bekämpft wurden, die Kaserne einfach erobern konnten. Alte Bilder zeigen emsigen Dienstbetrieb. In die abgebildete, von Dornen überwachsene Mulde hat man bis 1986 wohl Übungshandgranaten geworfen.

Hexenverfolgung: Glarus

Dort, wo Anna Göldi geköpft wurde, liegt heute ein Parkplatz des Kantonsspitals Glarus. Sie war eine Magd aus dem Rheintal, zweimal unehelich geschwängert, arbeitete in einem Richterhaushalt in Glarus. Im November 1781 wird sie entlassen, im Januar steckbrieflich gesucht, weil ein Kind, das sie betreute, angeblich spitzige Metallstücke spuckt und andere Krankheitssymptome zeigt. Verhaftet, gefoltert, verurteilt, wird Göldi, obwohl das Kind geheilt werden konnte, im Juni 1782 als «letzte Hexe» der Schweiz hingerichtet. Der Fall erregt Aufsehen, ein Göttinger Jurist prägt dafür 1783 den Ausdruck «Justizmord».

Hinrichtung: Genf

Unter Sodomie verstanden die Mächtigen seit dem 6. Jahrhundert jede sexuelle Praktik, die sich nicht auf Fortpflanzung ausrichtete. Also auch die Homosexualität. Sie beriefen sich dabei auf Briefe des Apostels Paulus im Neuen Testament. Homosexuelle wurden getötet, daran änderte auch die Reformation nur wenig: 1566 steht im calvinistischen Genf der fünfzehnjährige Student Bartholomé Tecia wegen «widernatürlicher Annäherungen» vor Gericht. Nach Folter und Todesurteil bringen ihn seine Henker in die Mitte der Rhone, dort wird er so lange unter Wasser gedrückt, bis er sich nicht mehr bewegt und ertrunken ist.

Internierungslager: Büren BE

Im Juni 1940 treten im Jura rund 12 000 polnische Soldaten, die aufseiten Frankreichs kämpften, zusammen mit 29 000 französischen Soldaten in die Schweiz über. Die Franzosen werden ein halbes Jahr später nach Hause geschickt, die Polen bis zum Kriegsende interniert. Zum Beispiel in Büren an der Aare, wo ein «Concentrationslager» für 6000 Männer entsteht, mit Stacheldraht und Wachttürmen. Später kaserniert man in Büren auch jüdische Flüchtlinge sowie ausländische Militärverweigerer. Das Lager hat einen sehr schlechten Ruf. Von der Barackenstadt geblieben sind Ruinen und ein Naturschutzgebiet.

Kinderarbeit: Riveo TI

In den Boomzeiten des späten 19. Jahrhunderts wachsen die Städte rasant und damit der Bedarf an Baumaterial: Granit und Gneis aus dem Tessin beispielsweise. In den dortigen Steinbrüchen arbeiten viele Saisonniers aus Italien, selbst Kinder ab acht Jahren, sie schuften von März bis November dreizehn bis vierzehn Stunden täglich in einem Beruf mit sehr niedriger Lebenserwartung. Doch die Steinhauer organisieren sich, kämpfen für kürzere Arbeitszeiten, besseren Lohn und dann für Ferien. Bald wird in den Steinbrüchen des Tessins schweizweit am häufigsten gestreikt, Steinhauer begründen die Tessiner Gewerkschaftsbewegung.

Needle Park: Zürich

Bis zu 3000 Drogenabhängige täglich im Zentrum Zürichs: Von 1986 bis 1992 war auf dem Platzspitz beim Landesmuseum die Hölle los. Das Elend in der reichen Schweiz wurde als «Needle Park» in der ganzen Welt bekannt. Einige Bürger:innen kümmerten sich um die Kranken, brachten medizinische Hilfe, stritten mit Behörden und Polizei. Dann liess der Statthalter die Fixer:innenszene in die Quartiere vertreiben. Sie sollte unsichtbar werden, entstand jedoch im stillgelegten Lettenbahnhof neu. Eine liberalere Drogenpolitik, verbunden mit einem rabiaten Repressionskonzept, beendete zwar nicht die Sucht, doch den Spuk.

New Glarus: Mühlebachtal GL

1845 schickt der neu gegründete Glarner Auswanderungsverein zwei Männer in die USA, um Land zu kaufen. Es ist eine Zeit des Elends und des Hungers. Die Bevölkerung wächst, die junge Industrie wird von Krisen geschüttelt. Als Mittel der Sozialpolitik erscheint die Auswanderung. In Wisconsin werden die Glarner Abgesandten fündig, und kaum haben sie die Ländereien abgesteckt, auf denen Reste von indigenen Siedlungen zu sehen sind, treffen erste Migrant:innen ein. Ihre Abschiebung nach Amerika wird unter anderem mit dem Abholzen von Wäldern finanziert, etwa in Engi oder Linthal in der heutigen Gemeinde Glarus Süd.

Niemandsland: Wittnau AG

Im Gebiet zwischen Baselland und Solothurn stimmten die Gemeindegrenzen nicht mit den Kantonsgrenzen überein. In einem Eck, wo beide Kantone an den Aargau grenzten, gab es sogar ein Niemandsland: 63 Aren steiler Wald und etwas Wiese, die zu keinem der drei Kantone und damit auch nicht zur Schweiz gehörten. Man nannte das Gebiet den Heimatlosenplatz oder auch Vagantenplatz. Ein vielleicht libertärer Beamter schrieb den Namen «In der Freyheit» in die Karten. Dass Fahrende dort vorbeikamen, ist nicht erwiesen, sicher hätte man sie rasch verjagt. 1931 wird das Gelände zwischen den Kantonen aufgeteilt.

Notfriedhof: Zürich

Ein neuer Friedhof für die Quartiere Altstetten und Albisrieden, die alten Friedhöfe haben Platznot. Dazu eine Zivilschutzeinrichtung; wir sind mitten im Kalten Krieg. Eine grosszügige, topmoderne Gestaltung von renommierten Architekt:innen. Wellenartig abfallendes Gelände, die Abdankungshalle erinnert von aussen an eine Seilbahnstation. Ein in Fachkreisen gelobtes Gartenbaudenkmal – Eröffnung 1967 – mit sehr viel freiem, unbebautem Platz, denn der Friedhof Eichbühl ist von einer vorausschauenden Regierung auch als Reserve für Atomkatastrophen, Kriege und Seuchenzüge gedacht.

Salzbohrtürme: hier bei Bad Zurzach AG

Salz, das heute fast nichts kostet, war einst das teuerste Verbrauchsgut im Alltag, der Salzimport ein Geschäft nobler Familien. 1836 entdeckt ein Ingenieur ein mächtiges Salzvorkommen in 135 Metern Tiefe bei Muttenz. 1837 beginnt die Salzförderung mit Bohrtürmen an jenem Ort, der später Schweizerhalle heisst, und bald decken die Rheinsalinen im Baselbiet und im Aargau den einheimischen Bedarf. Nur zu zehn Prozent wird Salz im Haushalt verwendet, wichtig ist es auch für die Pharmaindustrie, die Schweizerhalle 1989 mit einer Chemiekatastrophe weltberühmt macht. Den grössten Teil schmeissen wir winters auf die Strassen.

Spukhaus: Stans NW

Das Haus, in dem es spukte, stand zuletzt an der Autobahn. 2010 wurde es zerstört. Der Spuk begann im August 1862 im Haushalt des abgewählten Nationalrats Melchior Joller. Dieser war ein Radikaler, seine Umgebung katholisch-konservativ, die Grossmutter gar eine konservative Berühmtheit in der Helvetik. Der Spuk zeigte sich als Apfel, der durch das Haus hüpfte wie ein Frosch, und als Steinregen. Schwarze Armknochen erschienen oder weisse Gesichter. Natürlich glaubte niemand dem freisinnigen Politiker und seiner Familie. Sie floh nach Aussersihl, dann weiter nach Rom, wo Joller tief verschuldet starb.

Steinbockschmuggel: St. Gallen

Als Ostschweizer Kind steht man irgendwann im St. Galler Tierpark Peter und Paul. Sieht die künstlichen Felsen mit echten Steinböcken, hört staunend, dass diese Art in der Schweiz hundert Jahre lang ausgerottet war und von hier aus wieder angesiedelt wurde. 1906 hatte man ein paar Jungtiere dem italienischen König geklaut, der in einem Jagdreservat eine letzte Herde hielt. In die Schweiz geschmuggelt und im Tierpark akklimatisiert, wurden sie, fast wie heute die Bartgeier, in Kisten auf die Berge getragen. Mittlerweile darf Steinwild sogar wieder geschossen werden.

Tanklager: Eglisau ZH

«Schöner, sicherer, wirtschaftlicher», titelte die Migros-Zeitung «Die Tat» 1960 über einem Bericht zu den unterirdischen Pflichtlagern der Ölfirma Migrol bei Eglisau. Schöner, weil keine Tanktürme die Aussicht störten. Sicherer, weil im Kriegsfall alles gut vergraben war. Wirtschaftlicher, weil die Buchhalter das glaubten. Aber warum direkt am Rhein in Eglisau? Die Migros setzte auf die Hochrheinschifffahrt und hätte an dieser Stelle einen eigenen Ölhafen bauen wollen. Die Tankschiffe kamen nie, die unterirdischen Anlagen wurden 1986 stillgelegt, aber erst drei Jahrzehnte später ausgegraben.

Versuchsreaktor: Lucens VD

Als am 21. Januar 1969 in einer Kaverne im waadtländischen Lucens der Atomreaktor explodiert, erfährt das die lokale Bevölkerung nach sieben Stunden aus dem Radio. Es ist ein Versuchsreaktor, in der Schweiz entwickelt, mit dem man hofft, ausser Strom auch Material für Atomwaffen zu gewinnen. Gebaut von einem Konsortium und vom Bund finanziert, funktioniert die Anlage nur drei Monate, bevor sie überhitzt. Der Vorfall wird später als siebtschwerste Reaktorkatastrophe weltweit eingestuft. Die Dekontaminierung dauert bis 2003. Die Stollen füllt man mit Beton auf. Radioaktivität sei nur wenig ausgetreten.

Waschleiter: Luzern

Einst ging man in die Badstube, um sich richtig zu waschen, arme Leute sprangen in den See oder in den Fluss. In Luzern wurde das freie Flussbaden im 19. Jahrhundert aus sittlichen Gründen verboten. An der Spreuerbrücke erlaubten die Behörden jedoch 1868 den Bau einer geschlossenen Badeanstalt und Wäscherei: ein grosses, mehr als sechzig Meter langes Haus über dem Wasser, das im Volksmund «Mississippidampfer» hiess. Gebadet wurde in Einzelzellen, es gab auch einzelne Waschplätze neben der Maschinenwäscherei. 1971 wurde das Haus abgerissen. Die Leiter in die Reuss könnte ein Überbleibsel sein.