Diesseits von Gut und Böse: Der Lichtblick

Es gibt wahrlich selten die Gelegenheit, sich über einen Nationalratsbeschluss zu freuen, aber am Montag wars so weit: Das Prinzip der gewaltfreien Erziehung soll im Schweizer Zivilgesetzbuch verankert werden! Das heisst zwar noch nicht, dass Kinder ein Recht darauf hätten oder die Eltern eine Pflicht dazu. Aber immerhin soll festgehalten werden: Schlagen und Demütigen sind kein Erziehungskonzept.
Wem jetzt Sinniges wie «Gut Ding will Weile haben» in den Sinn kommt, der oder die möge sich die Zeitachse vor Augen führen: Am 17. Juni 2005 reichte die damalige SP-Nationalrätin Doris Stump ihre Interpellation «Gewalt im sozialen Nahraum bekämpfen» ein. Weitere politische Vorstösse früherer und aktueller Nationalrätinnen zum Thema kamen von Jacqueline Fehr (SP, 2007), Yvonne Feri (SP, 2013), Chantal Galladé (SP, 2015), Géraldine Marchand-Balet (CVP, 2018) und zuletzt von Christine Bulliard-Marbach (Mitte) mit ihrer Motion «Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern» am 20. Dezember 2019.
Natürlich gehört Geduld zu den direktdemokratischen Tugenden, aber jene Kinder, die geboren wurden, als Doris Stump das Thema aufbrachte, und denen eine klare Bestimmung vielleicht geholfen hätte, feiern demnächst ihren 20. Geburtstag.
Gar nicht erst auf die Vorlage eintreten, weil sie unnötig sei, wollte die übliche Ohrfeige-zur-rechten-Zeit-Fraktion, deren Sprecher äusserte, jegliche körperliche Züchtigung verbieten zu wollen, sei so, als würde man die Polizei entwaffnen oder die Armee eines Landes abschaffen.
Jetzt kommt die Vorlage in den Ständerat, aber dort hat die Ohrfeigen-Fraktion zum Glück nur sieben Vertreter:innen.