Wichtig zu wissen: Verständnis entwickeln

Nr. 26 –

Ruedi Widmer über die Fähigkeit, zuzuhören und vergessen zu können

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Früher musste noch der Aussenminister vor der Uno lügen, bevor die USA ein anderes Land angriffen. Heute ist nicht mal mehr das nötig. Sicher ein Fortschritt, denn lügen sollte man nicht müssen, schon gar nicht, wenn man aktueller US-Präsident ist und schon grundsätzlich lügt. Gelogenes Gelüge ist ja wieder wahr, was schlecht zu Donald Trumps Image als isolationistischer Friedenspräsident passt, mit dem er die Wahlen gewonnen hat.

Trump, Pete Hegseth oder Laura Loomer sind, wie noch viele weitere US-Regierende, auf Inklusion angewiesen. Bei anderen Menschen bekämpfen sie diese oder machen sich lustig darüber, merken aber wegen ihres inexistenten Feingefühls nicht, wie die ganze Welt behutsam und verständnisvoll mit ihnen selber umgeht. Von den Europäer:innen hören sie nichts Schlechtes über den Angriff auf die iranischen Atomanlagen, damit sie nicht weinen, stampfen oder Annexionsdrohungen absondern müssen. Alle Politiker:innen weltweit orientieren sich an ihrem Niveau, versuchen, sie möglichst artgerecht zu behandeln, sich zu ihnen herunterzubeugen, um auf gleicher Augenhöhe möglichst tief zu sinken. Der trumpschen Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Sekunden wird durch möglichst kurze Nato-Sitzungen entsprochen, die nach zwei bis drei einfachen Sätzen, wenn möglich in Vulgärsprache, bereits wieder beendet sind. Nachdem die US-Politiker:innen von ihren Eltern oder grossen Geschwistern abgeholt wurden, gehen die Verhandlungen erst los, zumindest ist das zu hoffen.

Auch Kriege dürfen nur wenige Minuten gehen, sonst verlieren die Pentagon-Leute ihr Interesse. Beim Dreissigjährigen Krieg hatte Trumps Ururururgrossvater schon nach «zwei Wochen» zum nächsten Bauernkrieg weitergezappt. Statt eine Strategie zu entwerfen, wird bei Hegseth im Mitmachchat lieber das B-2-Spielzeug hervorgeholt, um dessen Bombenlast in vermutlich zuvor leer geräumte iranische Atomkeller knallen zu lassen, damit der Donald beim Golfen angeben kann. Zwei Tage später ist er dann wieder bei leutseliger Laune und bietet dem Iran einen Deal (Urinsteinentfernung) an oder findet, jetzt sei doch mal genug geschmollt, man könne an den grossartigen Verhandlungstisch zurückkehren. Aber eigentlich braucht es nicht mal mehr Verhandlungen – für den US-Präsidenten ist der Fall klar: Der Krieg ist fertig, der Iran auf Jahrzehnte hinaus dankbar, dass er ihm den dämonischen Atomtraum für immer ausgetrieben hat. Und nach getaner Arbeit will Trump jetzt seine wohlverdiente Waffenruhe in Nahost.

Doch wer soll nun auf Herrn Chamenei folgen? Die Nachfolgeregelung in Firmen ist wichtig, auch bei Herrn Netanjahu, dort aber vielleicht für die Katz. Und auch im Motherland dürfte es kaum besser herauskommen.

Der Nachfolger des unsteten Lebe- und Fernsehmanns Trump («The Apprentice», «Der Friedensnobelpreis 2025»), Grossmagatollah Vance, hat nämlich eine auffällige Ähnlichkeit mit Chamenei, wenn nicht sogar Chomeini selig himself. Wie die andern steht er mit beiden Beinen knietief in seinem Glauben, ist gefestigt in dessen Geboten, schulisch intelligent, und mit dem Bartwuchs klappts auch ganz gut. Gebt ihm zwei Wochen Zeit, dann kanns losgehen mit dem Gottesstaat.

Wie reagiert die Schweiz auf die Geschehnisse im Nahen Osten? Ähnlich wie gegenüber den russischen Spionagedrohnen über Meiringen («Da kann man nichts machen»): verständnisvoll. Immerhin war sie jahrzehntelang Vermittlerin zwischen dem Iran und den USA. Trump weiss davon natürlich nichts, und wenn er es wüsste, hätte er es schon wieder vergessen, und wenn er es vergessen hätte, hätten es aus Rücksicht auf Trump auch alle anderen freiwillig vergessen.

Die meisten Menschen sind so empathisch, dass sie Trump alle vier Jahre erneut wählen werden, selbst wenn er mal tot sein sollte.

Ruedi Widmer nimmt in Winterthur Rücksicht.