Diesseits von Gut und Böse: Behelligung in der Dunkelkammer

Bei der Frage, was Fidel Castro und Che Guevara verband, dürften die wenigsten als Erstes auf deren Armbanduhr tippen: Beide trugen eine Rolex. Genau wie Barack Obama, Brad Pitt, Roger Federer und all die andern gut betuchten Herren, die ihr Statussymbol gern in jede Kamera halten. Manchmal sind es auch Damen.
Aber die Rolex-Welt ist eine Männerwelt. Das Rolex-Armband umschmiegt bevorzugt kraftvolle Männerhandgelenke, deren Besitzer wissen, wie sich Macht und Luxus anfühlen.
Über den Genfer Uhrenkonzern ist kaum etwas bekannt, keine Produktionszahlen, keine Gewinne, keine Bilanzen. Rolex ist zu hundert Prozent im Besitz einer vom Firmengründer errichteten Stiftung, die nicht börsenkotiert ist und der in Genf so viele Immobilien gehören, dass manche von einem «Staat im Staat» reden.
Doch trotz hermetischer Verschwiegenheit drangen jetzt Fakten ans Licht, die im Widerspruch zum edlen Firmenmantra stehen, das da lautet: «Im Streben nach Exzellenz versucht Rolex täglich, nicht nur seine Armbanduhren zu verbessern, sondern auch seine Umweltverträglichkeit und seinen gesellschaftlichen Einfluss.»
Seit 2018 sollen Mitarbeitende am Genfer Hauptsitz sexuellen Belästigungen und Mobbing ausgesetzt gewesen sein; mehr als fünfzig Zeug:innenaussagen über die belastenden Verhältnisse gingen bei der Gewerkschaft Unia ein. Es geht um mehrere Angeschuldigte, wobei sich wohl ein Vorgesetzter mit Schikanen und sexistischen Bemerkungen besonders hervortat. Bei Beschwerden schützte ihn die Personalabteilung. Die Unia schaltete sich ein, nachdem es trotz interner und externer Untersuchung zu keiner Besserung gekommen war.
Im Gegenteil: Rolex entliess die Beschwerdeführer:innen, weshalb die Unia jetzt in «mehreren Dutzend» Fällen wegen rechtswidriger Kündigung vor Arbeitsgericht geht. Wofür man der «kaltblütigen, sozialkonservativen Machtmaschine», als die der «Politgeograf» Michael Hermann die Gewerkschaft kürzlich in den Tamedia-Zeitungen bezeichnete, doch nur aus tiefstem Herzen dankbar sein kann.*
*Korrigenda vom 20. Juni 2024: In der gedruckten Ausgabe sowie der früheren Onlineversion dieses Textes wurde als Quelle von Michael Hermanns Zitat die «SonntagsZeitung» angegeben. Tatsächlich stammt es aus den Tamedia-Tageszeitungen.