Diesseits von Gut und Böse: The Ladies’ Knife

Nr. 41 –

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Wann immer ich und meine nächste Familie uns aus medizinischer Notwendigkeit etwas herausschneiden und/oder einsetzen lassen mussten, führte ein Mann das Skalpell. Das liegt in der gesellschaftlichen Natur der Sache: Der Männeranteil in der Chirurgie liegt nach wie vor bei 75 Prozent, je nach chirurgischer Fachrichtung beträgt er bis zu 90 Prozent, obwohl inzwischen mehr Frauen als Männer das Medizinstudium abschliessen.

Übrigens verdient Mann in der Chirurgie seit jeher am besten, was mir schon immer ein Rätsel war. In meiner Vorstellung braucht es im OP doch neben anatomischen Kenntnissen vor allem manuelles Geschick mit Messer, Nadel und Faden. Weshalb wird jemand besser bezahlt, der eine neue Hüfte einbaut, als jene, die komplizierte Diagnosen stellen können? In der sonstigen Berufswelt stehen Handwerker:innen ja auch nicht an der Besoldungsspitze.

Als ich auf tagesanzeiger.ch den Titel las: «Chirurginnen erzielen bessere Ergebnisse im OP-Saal. Wieso?», traute ich angesichts der oben genannten Zahlenverhältnisse meinen Augen kaum. In mehreren Studien seien «die Sterberaten und die Häufigkeit postoperativer Komplikationen untersucht» worden, heisst es im Artikel, wobei sich gezeigt habe, «dass beide signifikant geringer waren, wenn eine Frau operiert hat». Dass diese wegen ihrer kleineren, geschickten Hände besser handarbeiten können, kanns ja wohl nicht sein.

Natürlich sind die Gründe auch dafür gesellschaftlicher Art: Nicht ganz unerwartet spielt der Gender Gap eine Rolle. Frauen seien nicht automatisch besser, sagt eine im Artikel befragte Chefärztin für Gefässchirurgie; die Ergebnisse zeigten nur, «dass Frauen bisher bessere Leistungen erbringen mussten, um den gleichen Job zu bekommen». Anscheinend arbeiten sie häufig sorgfältiger und sind empathischer, was sich auf die Patient:innengesundheit auswirkt.

Wenn der Frauenanteil in der Chirurgie steigt, ist folglich zu erwarten, dass auch die Chirurg:innenlöhne sinken werden, wie es in der Gynäkologie bereits zu beobachten ist. Aber Geschlechtergerechtigkeit wird leider erst erreicht sein, wenn Chirurginnen genauso viele Fehler machen dürfen wie ihre männlichen Kollegen.

Doch keine Angst: Zumindest die – von Männern durchgeführten – OPs in meinem Umfeld verliefen alle tipptopp!