Im Affekt: Farbenfroh und homophob

Nr. 7 –

Alle Jahre wieder: Das Tanzensemble Shen Yun macht auf Welttournee halt in der Schweiz. Mit farbenprächtigen Gewändern, Gesang, Tanz und atmosphärischen 3-D-Effekten bringt es seinen Zuschauer:innen das alte China näher. Das haut diese offenbar regelmässig derart vom Hocker, dass Shen Yun schon beim Ticketkauf zur Zurückhaltung mahnen muss. «Sie lieben die Aufführung. Wunderbar!», man solle aber während der Vorstellung weder jubeln noch pfeifen – und sich bitte schön anziehen, heisst es so freundlich wie bestimmt.

Auf seiner Website schmückt sich Shen Yun mit absurder Überschwänglichkeit aus der High Society: Erzherzogin Herta Margarete Habsburg-Lothringen, Prinzessin der Toskana, lässt sich vom Megaevent jährlich aufs Neue verblüffen. Sogar Bundesrat Beat Jans schwärmt in einem Videotestimonial (noch als Regierungsrat) von den Farben und Tönen, von Meinungsfreiheit und Toleranz. Ob er damals wusste, wer hinter Shen Yun steckt? Denn, Plot-Twist: Es ist die Glaubensgemeinschaft Falun Gong, die in China brutaler Repression ausgesetzt, selbst aber höchst streitbar ist.

Zugegeben: Auf den ersten Blick ist diese Verbindung nicht ersichtlich. Die aktuelle Show, heisst es im «Spiegel», beginne ganz harmlos. Dann aber fallen Sätze wie: «Atheismus und Evolutionstheorie werden von Satan selbst dirigiert.» Im Foyer lägen die Schriften des Falun-Gong-Anführers Li Hongzhi auf. Heutzutage seien die Menschen nicht nur profitsüchtig, klagt der: «Sie begehen jede erdenkliche Untat, wie Homosexualität und Drogenkonsum.» Teile der Bewegung vertreten extrem rechte Positionen. Und als wäre das nicht genug, hat ein ehemaliges Ensemblemitglied unlängst Klage gegen Shen Yun eingereicht – wegen Zwangsarbeit und Menschenhandel.

Der Veranstalter in Basel, wo Shen Yun diese Woche auftritt, scheint sich daran nicht gestört zu haben. Dabei sind das – Toleranz und Meinungsfreiheit in allen Ehren – doch ziemlich viele Red Flags. Genug, um einem den Theaterabend gründlich zu versauen.

Shen Yun sei «eine Veranstaltung der gehobenen Klasse, die von normalen Theaterbesuchern besucht wird», heisst es auf der Website. Na dann!