Kultour

Nr. 10 –

Ausstellung

So nah, so fern

Die in Zürich geborene Fotografin Iren Stehli hat vergangenes Jahr ihren 60. Geburtstag gefeiert. Den Grossteil ihres Lebens hat sie in Tschechien verbracht. Dort ist auch eine ganze Reihe ihrer fotografischen Essays entstanden. So hat Stehli über Jahrzehnte hinweg die in Prag lebende Romni Libuna begleitet und die unterschiedlichsten Stationen in ihrem wechselvollen Leben dokumentiert. Die Fotos zeigen auch, dass die Frau zur Freundin geworden ist. «Libuna» ist vor zehn Jahren als Buch erschienen. Weitere Projekte von Stehli zeigen mit Anteilnahme und Faszination politische Brüche auf, wie den von 1992, als aus der Tschechoslowakei die Slowakei und Tschechien hervorgingen. Vor allem aber die Poesie im Alltag der Menschen sucht Stehli einzufangen. Es sind schon beinahe Stillleben, die Momente des Innehaltens, die ihre Fotos so besonders machen und an Josef Sudek (1896–1976), den Grossen der tschechischen Fotografie, erinnern.

Der Westschweizer Fotograf Yann Mingard hat sich zwischen 2009 und 2013 mit der Sammel- und Lagerwut der Menschen befasst. Unter dem Titel «Deposit» vereint er seine fotografische Recherche, die ihn in Labors und Bunker von 21 Unternehmen in Europa geführt hat. Dort hatte er Einsicht in Sammlungen, die von menschlicher und tierischer DNA über Zahnproben bis zu Saatgut reichen. Darunter Samen von Pflanzen, die in der Natur nicht mehr vorkommen, aber auch in Stickstoff tiefgefrorene menschliche Gehirne, die auf Wiedererweckung warten.

Unter dem Titel «Surfaces. Neue Fotografie aus der Schweiz» thematisieren jüngere FotografInnen den «digital turn». Gleichzeitig zeigen sie auf, wie der Begriff des Originals dabei ist zu verschwinden beziehungsweise seine definierte Form verliert.

Iren Stehli «So nah, so fern», Yann Mingard «Deposit» und «Surfaces. Neue Fotografie aus der Schweiz» in: Winterthur Fotostiftung und Fotomuseum, Fr, 7. März 2014, 18–21 Uhr, Vernissagen. Di–So, 11–18 Uhr; Mi, 11–20 Uhr. Bis 25. Mai 2014. 
www.fotostiftung.ch

Fredi Bosshard

Kunst hören

Matthias Grünewald gilt als einer der wichtigsten Maler und Grafiker der Renaissance. Die «Halbfigur einer klagenden Frau» hat er zwischen 1512 und 1515 geschaffen. Die Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz in Winterthur versucht nun, mit der Reihe «Lautmalerei und Stimmbilder» auch über die Musik Kunstwerken zu begegnen.

Vier SängerInnen des Opernstudios vom Opernhaus Zürich nähern sich mit der Musik von Giovanni Battista Pergolesi und Antonin Dvorak diesem Kunstwerk von Grünewald an. Die kunsthistorische Betrachtung dazu liefert Felix Thürlemann von der Universität Konstanz. Im April und Mai stehen Werke von Eugène Delacroix und Honoré Daumier auf dem Programm.

«Lautmalerei und Stimmbilder» in: Winterthur Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», 
Mi, 12. März 2014, 19 Uhr. www.roemerholz.ch

Fredi Bosshard

Lesung

Eine Nacht, Markowitz

Jacob Markowitz ist ein unscheinbarer Mensch. Die Frauen übersehen den Bauern regelmässig. Ausgerechnet dieser Markowitz soll nun die wunderschöne Bella heiraten. Zusammen mit weiteren Männern ist er nach Nazideutschland gereist, um jüdischen Frauen mit einer Scheinehe die Flucht nach Palästina zu ermöglichen. Zurück in der Heimat, lassen sich die Ehepaare wieder scheiden. Nur einer will sein Glück nicht mehr hergeben.

Der Autorin Ayelet Gundar-Goshen ist mit «Eine Nacht, Markowitz» ein vielfach ausgezeichnetes Debüt gelungen. Gelobt wird, dass sie skurrile Figuren und historische Fakten gekonnt vermischt. Die Zeit des britischen Mandats für Palästina, kurz vor der Staatsgründung Israels, wird im Buch lebendig. Ayelet, die 1982 geboren ist, studierte Psychologie in Tel Aviv, später Film und Drehbuch in Jerusalem.

Michael Guggenheimer wird auf Englisch ein Gespräch mit der Autorin führen. Die Schauspielerin Delia Mayer liest auf Deutsch aus «Eine Nacht, Markowitz».

«Eine Nacht, Markowitz» in: Zürich 
Buchhandlung Sphères, Di, 11. März 2014, 19.30 Uhr.

Kaspar Surber

Theater

Kapitale Tragödie

Auf die von Barbara Frey verantwortete Uraufführung von «Malaga» am Zürcher Schauspielhaus 2010 reagierte die Kritik zwiespältig: Die von Lukas Bärfuss bereits in der Vorlage gelieferten Rollenklischees würden von der Regisseurin noch einmal herausgestrichen, die Beziehungskomödie, die in einer kapitalen Tragödie endet, wirke «stilvoll überzuckert», «ästhetisch gediegen» und präsentiere «seriösen Boulevard», so die Meinung der RezensentInnen.

Nun nimmt sich die kleine Kellerbühne in St. Gallen dieses kürzesten Stücks des Schweizer Dramatikers an. Die Geschichte birgt trotz aller Banalität eine gewaltige Fallhöhe. Ein sich bereits in Scheidungsagonie befindliches Ehepaar streitet sich über den Wochenendaufenthalt der siebenjährigen Tochter Rebekka, weil Michael, der Vater, beruflich in Innsbruck zu tun hat und Mutter Vera es vorzieht, mit ihrem neuen Lover nach Malaga zu fliegen. Also überlassen sie ihr Kind, das auf der Bühne gar nicht in Erscheinung tritt, einem jungen New Yorker Filmstudenten namens Alex, der für die verplanten Eltern einspringt. Und damit nimmt das Unglück seinen Lauf …

Man kann gespannt sein, wie Regisseur Matthias Peter dieses Dreipersonenstück, das von Hanna Scheuring, Alexandre Pelichet und David Bühler getragen wird, auf die Bühne stellt. Mit dieser Inszenierung will die Kellerbühne ihre Bemühungen um die aktuelle Dramatik verstetigen.

«Malaga» von Lukas Bärfuss in: St. Gallen Kellerbühne, Mi, 12., bis Sa, 22. März 2014, 
jeweils Mi/Fr/Sa, 20 Uhr, So, 17 Uhr. 
www.kellerbuehne.ch

Ulrike Baureithel