Kultour

Nr. 37 –

Ausstellung

Arbeit im Landesmuseum

Sie ist die bekannte Unbekannte im Leben: Mehr als acht Stunden pro Tag verbringen die meisten dabei, und doch ist die Arbeit als solche selten ein Thema. Fällt die Tür zum Büro oder zur Werkstatt hinter uns ins Schloss, klagen wir wohl über den Stress – um dann doch lieber über die Freizeit um die Arbeit herum zu sprechen.

Doch was genau tun wir, wenn wir etwas tun? Und wie hat sich dieses Tun über die Jahrzehnte hinweg verändert? Diese Fragen beleuchtet eine Ausstellung im Landesmuseum in Zürich. Unter dem Titel «Arbeit» zeigt sie Fotografien zur Arbeit von 1860 bis in die Gegenwart, von der schmutzigen Kohlegrube bis zum gestylten Google-Büro. Dazu wird auf einzelne Aspekte der Entwicklung der Arbeit näher eingegangen, die Arbeitsmigration beispielsweise oder die Berufsbildung.

Die Fotografien stammen aus der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums, die derzeit systematisch aufgearbeitet wird. Zur Ausstellung gibt es Führungen und Podien, die sich der Veränderung der Arbeit und ihrer Darstellung in der Fotografie beschäftigen – so mit dem Soziologen Ueli Mäder, dem Historiker Jakob Tanner oder dem Fotografen Giorgio von Arb.

«Arbeit. Fotografien 1860–2015» in: Zürich Landesmuseum, 11. September 2015 bis 3. Januar 2016. www.nationalmuseum.ch

Kaspar Surber

Lesung

Drei Sprachvirtuosen

«Schläft ein Lied in allen Dingen» heisst das Programm der Berner Literaturband Hybrido Unreim. Ob sie dieses Lied in den Dingen auch finden werden? Das fragen sich die drei Männer selber, im Video auf ihrer Homepage.

Das Trio sind die Berner Schriftsteller Hartmut Abendschein, Roland Reichen und Christian de Simoni. Alle haben bereits eines oder mehrere Bücher veröffentlicht. Abendscheins «Flarf Disco» ist diesen Frühling erschienen und versammelt «Popgedichte», die Titel tragen wie «Die Basslinie», «Hallo Moderne» oder «Ein Punksong ist nicht wer wir sind». Reichen erzählt in «Sundergrund» mit einer von Dialektausdrücken durchmischten Sprache vom kurzen Leben eines Junkies. Und de Simoni hat 2011 mit «Rückseitenwetter» einen starken Debütroman über die verlorene Generation der Mittdreissiger geschrieben.

Wenn die drei Sprachvirtuosen sich nun zu einem Trio zusammentun, ist Böses, Schräges und Skurriles aus dem Alltag zu erwarten. Sie nennen ihr Programm eine Mischung aus Lesung, Gespräch und musikalischer Intervention. Es geht um Randgruppen, extreme Musik und prekäre Existenzen. Für die musikalische Untermalung der Texte sorgt der DJ und WOZ-Autor Benedikt Sartorius. Gemeinsam werden die Herren das schlafende Lied bestimmt finden und es mit lautem Getöse aufwecken.

Hybrido Unreim in: Bern Progr Kulturpunkt, 
Do, 10. September 2015, 20 Uhr. Bis 18. September 2015 sind ausserdem Bilder von Noë Gauch zu sehen. 
www.kulturpunkt.ch

Silvia Süess

Tanztheater

Bewegte Erinnerungen

Tanzen voller Gefühlsgewalt und Ausdrucksstärke – dafür wurde Harald Kreutzberg (1902–1968) als «grösster Tänzer Europas» bezeichnet. Aufgewachsen in Dresden, führte ihn seine Tanzkarriere um die Welt, bevor er 1955 gemeinsam mit seiner Partnerin Hilde Baumann eine Tanzschule in Bern gründete. Deren Geschichte zeigt das Tanzdokument «Kreutzberg», ausgezeichnet mit dem Schweizer Tanzpreis Kulturerbe Tanz 2014.

Der Ausdruckstanz bricht mit klassischen Tanzformen wie dem Ballett. «Hier konnte ich einfach tanzen – ohne ständig auf Technik schauen zu müssen», so erinnert sich eine Absolventin aus dem ersten Jahrgang der Kreutzberg-Schule. Choreograf Chris Leuenberger und Regisseur Marcel Schwald sprachen mit den Schülerinnen dieser ersten Generation, die heute alle zwischen 75 und 85 Jahre alt sind. Eine von ihnen tritt gemeinsam mit jungen TänzerInnen im Stück auf, das Filmaufnahmen, gesprochene Texte, Tanz und plastische Elemente auf die Bühne bringt. Dabei wird auch der historische Kontext Harald Kreutzbergs zum Thema: In der Weimarer Republik zum Star geworden, führte er seine Auftritte nach der Machtergreifung Hitlers unbeirrt fort, bis er im Herbst 1944 gemeinsam mit anderen Kunstschaffenden in die Wehrmacht eingezogen wurde.

«Kreutzberg» in: Bern Dampfzentrale, 
Do/Fr, 17./18. September 2015, 20.15 Uhr, 
am Donnerstag mit einer Einführung mit Zeitzeuginnen. 
www.dampfzentrale.ch

Rahel Locher

Konzert

Belgien stöhnt, Kanada lärmt

Sie nennen sich Moaning Cities, sie kommen aus Belgien, und sie haben sich weit im Osten die exotische Staffage für ihren psychedelisch dampfenden Blues besorgt. Sie sind nämlich zum Instrumentenschrank der Hippies gegangen und haben dort die Sitar wieder hervorgeholt. Die politisch geschärfte Stilpolizei fragt da natürlich: Ist das jetzt neokolonialer Chic für den Rockkeller? Nein, findet wohl das belgische Quartett, das ist der Sound der Städte, wenn sie stöhnen. Damit passen sie – zwei Männer an Gitarre und Sitar, zwei Frauen an Bass und Schlagzeug – jedenfalls prima zur Renaissance des Psychedelischen, die in der Popmusik schon länger nicht zu überhören ist, auf dem weiten Feld zwischen Tame Impala und Miley Cyrus.

Wer diesen ganzen Trend zum transzendenten Delirium am liebsten wegpusten würde, tut das dieser Tage am besten mit kontrolliertem Lärm aus Toronto. Laut und rabiat, aber hochkonzentriert: Das ist das kanadische Trio METZ. Deren zweites Album ist dreissig Minuten kurz und lapidar mit «II» betitelt. Es beginnt mit Essigsäure («Acetate»), und damit lassen sich die retropsychedelischen Flausen unserer Popgegenwart natürlich prima wegätzen: Trinkt das, ihr Neohippies!

Moaning Cities in: Bern Rössli in der Reitschule, 
Mi, 16. September 2015, 20 Uhr. METZ in: Zürich Kinski, Mo, 14. September 2015, 20 Uhr.

Florian Keller

Neue Musik

Zeiträume Basel

Wie klingt es wohl unter dem Rhein, im sogenannten Rheindünker, einem Leitungstunnel, der unter dem Wasser hindurch von Gross- nach Kleinbasel führt? Was für Klänge sind frühmorgens vor Sonnenaufgang entlang der Kantonsgrenze von Basel-Stadt und Baselland zu entdecken? Über was für Räume verfügt überhaupt diese Stadt – und wie lassen sie sich mit Klang füllen und bewegen?

Solche und ähnliche Fragen werden bei «ZeitRäume» beantwortet, dem neuen Basler Festival für Neue Musik und Architektur. Musik und Raum zu verknüpfen, ist ja eigentlich nichts Aussergewöhnliches mehr; und doch ist es spannend, diese Verbindung an einem Ort zu thematisieren, wo beides eine feste Heimstatt hat. Wie eben in Basel, das ja nicht nur eine Architekturmetropole ist, sondern dem Mäzen Paul Sacher auch eine reiche Tradition im Umgang mit zeitgenössischer Musik verdankt.

Die Idee dazu stammte vom Basler Komponisten Beat Gysin, der sich in seinen Musiktheaterstücken immer wieder mit Architektur beschäftigt hat. Zusammen mit dem Saxofonisten Marcus Weiss und dem Komponisten Georg Friedrich Haas gründete er dieses Festival. Bei der Stadt stiessen sie damit auf offene Ohren – und bald schon stand ein hochkarätiges internationales Programm fest. Es gibt Klangspaziergänge, Installationen und Musik an Orten, wo nur einige ZuhörerInnen Platz finden, aber auch Sinfoniekonzerte mit Werken von Pierre Boulez und Edu Haubensak oder Kammermusik im Museum. Tambouren und Pfeifer spielen auf, und junge StudentInnen der Musikakademie erforschen unbekannte Klangräume. Dazu das reichhaltige Rahmenprogramm mit Vorträgen und Diskussionen: Musiker treffen auf Architektinnen, bildende Künstler und Wissenschaftlerinnen. Schliesslich ist auch der Schweizer Tonkünstlerverein mit seinem Fest bei «ZeitRäume» zu Gast, und so ist auch viel heimische Musik zu hören.

Und am Ende wissen wir, wie Basel klingt? Ja, fürs Erste vielleicht. Fortsetzung folgt in zwei Jahren.

«ZeitRäume», Biennale für Neue Musik und Architektur in: Basel diverse Orte, Do–So, 
10.–13. September 2015. www.zeitraeumebasel.com

Thomas Meyer