Personenrätsel: Die Agitatorin

Nr. 7 –

Was hätte die gelernte Telefonistin wohl alles bewegen können, wenn man sie nur gelassen hätte? Die 1882 in Bern geborene Hebammentochter verfügte über ein ausgezeichnetes Organisationstalent. Knapp über zwanzig, organisierte sie die TextilarbeiterInnen ihrer Stadt; mit 23 wählte man sie zur ersten Arbeitersekretärin des Gewerkschaftsbunds. Die Basis war begeistert, doch den Funktionären wurde die Agitatorin bald zu unbequem. Die erklärte Antimilitaristin beschränkte sich nicht auf klassische Gewerkschaftsfragen: Sie forderte Frauenrechte ein, propagierte die Abschaffung der Ehe, hielt Vorträge über Verhütung und pflegte Umgang mit AnarchistInnen. Nach fünf Jahren war sie ihren Gewerkschaftsjob wieder los.

Daraufhin engagierte sie sich mit Elan für den Aufbau einer sozialrevolutionären Organisation. Der Ers­te Weltkrieg und ständige finanzielle Engpässe machten ihre Bemüh­un­gen jedoch zunichte. So richtete die alleinstehende Mutter zweier Kinder in ihrem Haus eine Kommune ein und öffnete Militärdienstverweigerern die Tür. Eine Verurteilung zu zwölf Monaten Haft wegen Beihilfe zur Abtreibung setzte ihrem Wirtschaftsstudium ein Ende. Nicht glücklich verliefen auch mehrere Versuche, eine landwirtschaftliche Genossenschaft aufzubauen. Während des Nationalsozialismus betätigte sie sich in der Flüchtlingsarbeit, unterstützte exilierte SchriftstellerInnen und Waisen aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Bis zu ihrem Tod 1963 blieb die nach wie vor gefragte Rednerin in der schweizerischen Friedens- und Frauenbewegung aktiv.

Wie heisst die ehemalige Geliebte von Gustav Landauer und Erich Mühsam, die, um Genossen vor dem Gefängnis zu bewahren, vor Gericht auch log?

Wir fragten nach Margarethe Hardegger, der ersten Arbeitersekretärin des SGB. Einblick in ihr Leben und in einen spannenden Ausschnitt linker Schweizer Geschichte gibt das Buch von Regula Bochsler: «Ich folgte meinem Stern. Das kämpferische Leben der Margarethe Hardegger». Pendo Verlag. Zürich 2004.