Personenrätsel: Der Volksheilige
35 Jahre versah er seinen Dienst in Ruhe und Eintracht. Nach dem Besuch eines Internats hatte der 1917 in einfache Verhältnisse hineingeborene Sohn eines Fernmeldearbeiters ein Theologiestudium aufgenommen und 1942 in Rom beendet. An einem Doktortitel war ihm nicht gelegen, es zog ihn wieder nach Hause (viele Jahre später reichte ihm eine belgische Universität die Ehrendoktorwürde nach). In seinem sozial zutiefst gespaltenen Land – ein paar kaffeeverwöhnte Reiche lebten (und leben) rücksichtslos auf Kosten einer verarmten Landbevölkerung – übernahm er eine Gemeinde, wurde Zeitschriftenredaktor und Generalsekretär einer nationalen kirchlichen Vereinigung.
Er galt als konservativ und kletterte so die Karriereleiter Stufe um Stufe empor. Ziemlich weit oben angekommen, hätte er es eigentlich zu seiner Aufgabe machen sollen, das Volk und vor allem die aufmüpfigen Priester in Schach zu halten, die mit dem Evangelium in der Hand den LandarbeiterInnen ein Anrecht auf Gerechtigkeit schon auf Erden verkündeten. Als dann jedoch ein Freund und Kollege erschossen wurde und das Militär bei einer Demonstration ein Blutbad anrichtete, wollte er die Augen nicht mehr verschliessen. Er geriet auf Kollisionskurs mit seinem obersten Chef, der ihn eindringlich davor warnte, sich mit Kommunisten einzulassen. Doch der Unbelehrbare prangerte nun Woche für Woche öffentlich die Verbrechen des Militärs, die Ausbeutung und Gewalt an. Als er dann auch noch die Soldaten zur Befehlsverweigerung aufrief, war das Mass voll: Eine Todesschwadron des Geheimdienstchefs Roberto D’Aubuisson erschoss ihn während einer Messe.
Wie heisst der Anwalt der Armen, der noch heute wie ein Heiliger verehrt wird und nach dessen Tod ein langer Bürgerkrieg begann?
Wir fragten nach dem 1980 ermordeten salvadorianischen Befreiungstheologen Oscar Romero. Für seinen Tod wurde nie jemand zur Verantwortung gezogen. Sein «oberster Chef» war Johannes Paul II. Roberto D’Aubuisson war Gründer der noch heute in El Salvador regierenden Republikanisch Nationalistischen Allianz (Arena).