Energiegeschäft: Wenn der Iran trumpft, hat der Dollar ausgespielt

Nr. 27 –

Die Sanktionen gegen den Iran bewirken, dass die Islamische Republik ihren Öl- und Erdgashandel vermehrt auf asiatische Staaten und Russland verlagert. Eine neu eingerichtete Ölbörse rechnet nicht mehr länger in Dollarpreisen. Der Iran stösst damit auf grosses Interesse der Schwellenländer.

Die Drohkulisse gegen den Iran, die Sanktionen und immer neuen Verhandlungsangebote, ist ein wohlbekanntes Spiel mit verteilten Rollen. Im Moment bewegen wir uns rasch auf einen umfassenden Wirtschaftskrieg zu. Der Iran hat auf die jüngsten Strafmassnahmen der EU vom 23. Juni mitsamt den obligaten Verhandlungsofferten im Atomstreit prompt reagiert: Eine Einstellung des Atomprogramms sei indiskutabel, die Sanktionen seien absurd und ein feindlicher Akt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis aus den Sanktionen ein umfassendes Embargo, ein Boykott der iranischen Öl- und Gasexporte durch die USA und die EU, entsteht. Eine solche Aktion dürfte die Energiepreise weiter dramatisch nach oben treiben. Und die Sanktionen führen dazu, dass der Iran sich nach neuen Partnerstaaten umsieht.

Seeblockade gegen den Iran?

Ein Wirtschaftskrieg nützt vor allem den Hardlinern in der Regierung der Islamischen Republik. Unter dem wachsenden Druck von aussen schliessen sich im Iran die Reihen. Nichts dürfte das Regime populärer machen als der heroische Widerstand gegen die Drohungen des Westens. Bei diesen Drohungen spielt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Hauptrolle. Sie hat sämtliche Entscheidungen in Sachen Iran an sich gezogen, das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium sind ausgeschaltet. Merkel macht sich zur engsten Partnerin der amerikanischen Frontstellung gegen Teheran und verdonnert Deutschland, bisher der wichtigste Handelspartner des Iran, zur Rolle des Musterschülers. Alle Optionen liegen auf dem Tisch, wie US-Präsident George Bush bei jeder Gelegenheit betont. Auch die Option eines Militärschlags gegen den Iran. Den neokonservativen amerikanischen Falken ist klar, dass ihre Wirtschaftssanktionen wenig ausrichten. Daher propagierten im Laufe der letzten Wochen 77 demokratische und 92 republikanische Abgeordnete im US-Kongress die sogenannte Resolution 362. Diese Resolution, die nun durch den Instanzenweg gepaukt wird, fordert den Präsidenten unverblümt zu einer vollständigen Seeblockade gegen den Iran auf.

Der Schwebezustand zwischen Kriegsrhetorik und wirtschaftlichem Druck hält also an. Auf Betreiben der USA ist der Kontenkrieg gegen den Iran voll entbrannt. Die drei wichtigsten staatlichen Banken des Landes sind mithilfe einer Politik der schwarzen Listen isoliert worden. Keine europäische Grossbank wagt es mehr, mit den iranischen Staatsbanken Geschäfte zu machen, aus Angst, auf der schwarzen Liste der «Terrorismus-Unterstützer» zu landen. Die UBS etwa hat das einst lukrative Irangeschäft schon vor Jahren aufgegeben. Im Rahmen ihrer jüngsten Sanktionsverschärfung hat die EU beschlossen, die Guthaben der Melli-Bank, des grössten iranischen Kreditinstituts, in Europa einzufrieren. Damit wird die Bank in Hamburg, London und Paris lahmgelegt, weil sie als Vermittlerin der «sensiblen Geschäfte» des Iran, also bei Beschaffungen für das Atom- und Raketenprogramm des Landes, gilt. Die vom Sicherheitsrat der Uno abgesegneten Sanktionen bewirken indes vor allem eine Verlagerung der internationalen Geschäfte des Iran von Europa nach Asien.

Die iranische Ölbörse

Dabei geht es zur Hauptsache um Energiegeschäfte. Zwar verfügt der Iran nach wie vor über die zweitgrössten Erdgasreserven der Welt, doch dem Land geht in absehbarer Zeit das Erdöl aus. Das liegt am jahrelangen rücksichtslosen Raubbau, den das Regime betrieben hat. Die iranische Wirtschaft hungert nach Energie, sie wächst rasant wie die überwiegend junge Bevölkerung. In den letzten dreissig Jahren hat sich der Energieverbrauch im Iran mehr als vervierfacht. In vielen Industriezweigen hat das Land grossen Nachholbedarf. Ausserdem herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine Inflation von rund zwanzig Prozent. Die petrochemische Industrie des Landes ist keineswegs auf der Höhe - über vierzig Prozent des Treibstoffs müssen aus dem Ausland importiert werden.

Bis heute gibt es nur eine Bedrohung, die der Vorherrschaft der USA auf die Dauer gefährlich werden könnte. Die USA sind eine ökonomische und finanzielle Weltmacht, weil es ihnen gelungen ist, den Dollar zur Weltreservewährung zu machen. Der Dollar ist ein Weltgeld, in dem so gut wie sämtliche Rohstoffe der Welt gehandelt werden müssen. Auf dieser Ausnahmestellung des US-Dollars beruht die amerikanische Vormacht - und dem Dollar geht es schlecht. Richtig übel wird es dem Dollar gehen, wenn die Konvention durchbrochen wird, die Rohstoffe der Welt, voran Erdöl und Erdgas, nur gegen US-Dollar zu verkaufen. Genau das hat der Iran vor - mit der Gründung einer eigenen internationalen Ölbörse, die den beiden Ölbörsen, die heute den Erdölmarkt beherrschen, der International Petroleum Exchange (IPE) in London und der New York Mercantile Exchange (Nymex) Konkurrenz machen soll. Der Iran beabsichtigt nicht länger abhängig zu sein von westlichen Ölhändlern wie Cargill, Taurus oder Philip Brothers, einer Tochter der Citicorp, und Ölproduzenten, die zugleich den Ölhandel dominieren wie Total und Exxon.

Die Ursachen des explodierenden Ölpreises sind umstritten. Unbestritten ist, dass die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) die Preise nicht allein bestimmen kann - sie kontrolliert mehr schlecht als recht weniger als vierzig Prozent des Angebots an Rohöl. Ein erheblicher Teil der Preismacht geht auf das Konto der Handels- und Spekulationsunternehmen, die vor allem in Europa und in den USA sitzen. An der seit langem auf der Insel Kish im Persischen Golf geplanten iranischen Ölbörse IOB soll Öl nicht mehr gegen Dollar, sondern gegen Euro und andere Währungen gehandelt werden. Eigentlich sollte die IOB schon im März 2006 eröffnet werden. Erst im Februar 2008 war es so weit. Ausser dem US-Dollar sind dort alle Währungen willkommen, gehandelt wird mit Hilfe eines Währungskorbs, in dem neben dem Euro und dem Yen auch die regionalen Währungen der Golfstaaten vertreten sind.

In Japan, China, Indien und anderen asiatischen Staaten - alles bedeutende Abnehmer iranischen Erdöls - stösst das Projekt auf offene Ohren. Auch die arabischen Petromonarchien und die zentralasiatischen Ölproduzenten rund um das Kaspische Meer haben ein starkes Interesse an einer internationalen Ölbörse ohne westliche Mittelsleute und ohne den Zwang, in Dollar zahlen zu müssen. In der Opec propagieren der Iran und Venezuela, mit Unterstützung Ecuadors, ein neues Ölpreisregime - mit einem Währungskorb anstelle des US-Dollars. Etliche grosse Exporteure im Nahen Osten haben bekundet, dass sie bereit sind, vom Petrodollar Abschied zu nehmen. Wenn der Dollar seine Monopolstellung im internationalen Öl- und Erdgasgeschäft verliert, kommt er auch auf den übrigen Rohstoffmärkten unter Druck und verliert als Weltreservewährung weiter an Boden. Kein Wunder also, dass die USA die iranische Ölbörse zu behindern suchen. Dabei ist schon mal Sabotage im Spiel. Zeitgleich zur Eröffnung der IOB im Februar wurden innert weniger Tage gleich vier Unterseekabel im Persischen Golf schwer beschädigt. Jede internationale Börse braucht funktionierende Internetverbindungen - und die wurden der IOB durch die merkwürdigen Unfälle für einige Zeit gekappt. Aber auch das vermochte die neue Ölbörse nicht aufzuhalten.

Kein Öl mehr gegen US-Dollar

Um den Finanzsanktionen der USA und der EU auszuweichen, hat der Iran vorsorglich seine Guthaben von den europäischen Banken abgezogen. Ein Grossteil der Devisenreserven, mehr als 75 Milliarden Dollar, wurde auf asiatische Banken transferiert oder dazu benutzt, die iranischen Reserven an Gold und ausländischen Staatspapieren aufzustocken. Banken in Russland, in China und in den Golfstaaten sind eingesprungen. Die Geschäfte laufen weiter, nur eben nicht mehr wie bisher über britische, deutsche oder schweizerische Banken. Seit Dezember 2007 hat der Iran kein Fass Öl mehr gegen Dollar verkauft, er liefert bereits seit Mitte 2007 nach Japan gegen Yen. Immerhin ist Japan das wichtigste Importland für iranisches Öl, und der Iran ist Japans drittgrösster Öllieferant.

Derweil bezahlt Europa, die Bundesrepublik Deutschland voran, den Preis für seine Treue gegenüber den USA. Die deutschen Exporte in den Iran gingen von 4,3 Milliarden Euro im Jahre 2005 auf 3,2 Milliarden im Jahre 2007 zurück, in diesem Jahr kommen weitere drastische Einbrüche hinzu. Die asiatischen Konkurrenten wird das freuen. China hat bereits 2007 Deutschland als wichtigster Handelspartner des Iran abgelöst - allein nach den offiziellen Zahlen ist der chinesische Export nach dem Iran um siebzig Prozent gestiegen. Internationale Geldtransaktionen zwischen dem Iran und seinen Handelspartnern werden nun über Banken in Singapur und Dubai abgewickelt.

Pipeline nach Indien

Souverän spielen die iranischen Machthaber ihre Trümpfe aus - die Ölkarte und die Erdgaskarte. Im Mai fand in Teheran eine internationale Ölmesse statt - und alle kamen ausser den amerikanischen Ölkonzernen. Wegen ihres Energiehungers sind die Schwellenländer kaum geneigt, Boykottaufrufen gegen den Iran zu folgen. Pakistan, Indien und China haben sich faktisch bereits über den amerikanischen Druck hinweggesetzt. Ebenfalls im Mai wurde in Islamabad und in Neu-Delhi über den Bau der Iran - Pakistan - Indien-Gaspipeline IPI verhandelt. Rund 7,3 Milliarden Dollar wird die 2100 Kilometer lange Pipeline kosten und bis zu 45 Millionen Kubikmeter iranisches Erdgas pro Jahr nach Pakistan und Indien transportieren. Über eine Verlängerung nach China wird bereits nachgedacht.

Parallel haben die National Iranian Oil Company (NIOC) und die russische Gazprom eine erweiterte Förderzusammenarbeit vereinbart. Damit spannen die staatlichen Energiegesellschaften der beiden Länder mit den grössten Erdgasvorkommen weltweit zusammen. Gleichzeitig verhandeln der Iran und Russland mit Algerien, Ägypten und Indonesien über die Bildung eines internationalen Gaskartells nach dem Vorbild der Opec. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das bisherige internationale Energieregime auseinanderfällt. Nicht zum Schaden der Schwellenländer.


Schweizer Irangeschäfte

Auf ihrer Iranreise von Mitte März war Bundesrätin Micheline Calmy-Rey beim Erdgasdeal anwesend, den die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) mit der staatlichen Iranian Export Company (Nigec) abschloss. Die EGL gehört zu 87 Prozent der Axpo. Von den 5,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas, welche sie ab 2012 vom Iran beziehen wird, verkauft die EGL über die Hälfte nach Italien. Die EGL betont, es handle sich um einen Abnahmevertrag, es seien keine Investitionen im Iran geplant. Nur Letztere werden von den scharfen US-Sanktionen unter Strafe gestellt. Mehr Gehorsam gegenüber den USA zeigt der schweizerische Finanzsektor. Die UBS und die CS betreiben seit Anfang 2006 keine Geschäfte mehr mit dem Iran.