UBS-Krise: Der Gewinn und der Müll
Das Prozessrisiko ist abgewendet, der Börsenkurs der Grossbank steigt schon wieder. Freude herrscht – es fragt sich nur, wie lange.
Die Abwicklung der vom Goldesel zur Sondermülldeponie mutierten UBS dürfte die Schweiz noch einige Zeit beschäftigen. Zurzeit befinden wir uns in einem Zwischenstadium. Die alte Bank ist tot, die Nachfolgerin, so denn tatsächlich eine entsteht, ist noch nicht geboren.
Entstanden 1998 aus dem Zusammenschluss der Schweizerischen Bankgesellschaft mit dem Schweizerischen Bankverein, tanzte die UBS nur ein kurzes Jahrzehnt. Die Fusion war die Antwort des Finanzplatzes Schweiz auf die rasche Globalisierung der Finanzmärkte nach dem Fall der Mauer und dem Untergang der Sowjetunion, welche das Geschäftsfeld der grenzüberschreitenden Geldgeschäfte erweitert hatte und grössere Geschäftseinheiten verlangte.
Vor der Fusion war die Bankgesellschaft die stärkere Bank gewesen, doch 1997 wurde dieses Institut dramatisch geschwächt. Grund dafür waren gravierende Managementfehler in der Krise um die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen sowie grosse Verluste bei entgleisten Derivatgeschäften. Deshalb kam Bankverein-Mann Marcel Ospel an die Spitze der neuen UBS und besetzte auch die wichtigsten Jobs mit Leuten aus dem Bankverein. In der Folge entwickelten Ospel und seine Mitarbeiter nach und nach ihre verhängnisvolle Strategie der Hochrisikospekulationen auf den US-amerikanischen Wertpapiermärkten – mutmasslich in Kombination mit krimineller Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Weiterhin zu gross für die Schweiz
Das gescheiterte Geschäftsmodell der UBS markiert auch das Ende einer ganzen Epoche der Schweizer Bankengeschichte, nämlich einer jahrzehntelangen Expansion und Zentralisierung. Kein vergleichbares Land der Welt kennt heute einen derart konzentrierten und im Vergleich zur gesamten Volkswirtschaft derart grossen Bankensektor wie die Schweiz.
So darf und kann es nicht mehr weitergehen. Das weiss auch die UBS. Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger hat für den kommenden November die Präsentation einer neuen entkriminalisierten und risikoreduzierten Geschäftsstrategie in Aussicht gestellt.
Bis dahin sollten Bundesrat und Parlament allerdings die Hände besser nicht in den Schoss legen. Auch mit neuer Strategie bleibt die UBS viel zu gross für die Schweiz. Im Prinzip geht es darum, die übergrossen Banken UBS und Credit Suisse durch politische Eingriffe so klein werden zu lassen, dass sie zukünftig ohne Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft in Konkurs gehen könnten. Ergänzt um die Korrektur der völlig überhöhten Bonuszahlungen an die Abzockmanager, die uns die Finanzkrise eingebrockt haben.
Die dauerhafte Schrumpfung der Grossbanken gehört heute neben der Rezessionsbekämpfung zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Baustellen der Schweizer Politik. Ohne direkte politische Eingriffe ist die nötige Schrumpfung nicht zu haben. Die von der Finanzmarktaufsicht bereits verlangte Erhöhung der Eigenkapitalquote für die Grossbanken ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber bei weitem nicht aus. Es braucht stärkere Massnahmen. Etwa die bankgesetzliche Trennung des spekulativen Investmentbankings vom Spar-, Kredit- und Geschäftsbankenwesen. Oder den vollständigen Rückzug der Grossbanken aus dem Zahlungsverkehr zugunsten der Postfinance.
Es geht nicht nur um die Spritze
Nicht zuletzt weil über ein Drittel des gesamten Zahlungsverkehrs in der Schweiz über die private rechtliche und technische Infrastruktur der UBS läuft, war der Bundesrat gezwungen, diese Bank mit Steuergeldern zu retten. Andernfalls hätte es zu einem Kollaps des gesamten Wirtschaftslebens kommen können. Dieses Risiko könnte durch eine Verlagerung des Zahlungsverkehrs auf die Infrastruktur der staatlich garantierten Postfinance ausgeschaltet werden.
Zugegeben, das sind keine einfachen Aufgaben. Es braucht viel Optimismus, der Schweizer Politik kreative und griffige Lösungen zuzutrauen. Aber letztlich ist demokratisch legitimierte Wirtschaftspolitik die beste Chance, die wir haben, die Lehren aus der Finanzkrise zur Entwicklung eines nachhaltigeren Wirtschaftssystems zu nutzen.
Einen Tag nach dem UBS-Vergleich verkaufte der Bund auch seine Beteiligung von sechs Milliarden Franken. Bei zahlreichen KommentatorInnen hat dies – und der vermeintliche Gewinn von 1,2 Milliarden Franken – eine Welle des unverhohlenen Triumphalismus ausgelöst. Die Grundsätze des kaufmännischen Rechnens sind dabei allerdings der Selbstgefälligkeit und dem Wunschdenken geopfert worden.
Denn für die Staatskasse zählen nicht bloss die sechs Milliarden direkte Kapitalspritze, sondern auch die vierzig Milliarden Wertschriftenmüll, welche die Nationalbank von der UBS zwangsweise übernommen hat. Und beim sogenannten Stabfund, in dem die Nationalbank den Müll bewirtschaftet, übersteigen die Verluste den Betrag von 1,2 Milliarden bereits heute um ein Mehrfaches.
Sowohl die Bundeskasse als auch die Nationalbank mussten das Volksvermögen anzapfen, um den Wirtschaftsstandort Schweiz vor noch Schlimmerem zu bewahren, und retteten damit gleichzeitig die privaten Aktionäre und Obligationäre der UBS vor dem Totalverlust. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung schlägt diese Rettungsübung trotz gewinnbringenden Verkaufs der Bundesbeteiligung negativ zu Buche.
Der Verkaufsgewinn der Bundesbeteiligung ist ein reiner Spekulationsgewinn: eine Folge des gestiegenen Kurses der UBS-Aktie, der sich seit dem Tiefstand im vergangenen März von etwa acht Franken auf sechzehn Franken verdoppelt hat. Diese Kurssteigerung ist also beileibe nicht die Folge einer betriebswirtschaftlichen Gesundung der UBS: Die Bank arbeitete im ersten Halbjahr 2009 mit Verlust, ohne die Hilfe der Schweizer Diplomatie wäre sie der US-Steuerbehörde in den Hammer gelaufen, und – wichtiger noch – eine neue Erfolg versprechende Geschäftsstrategie gibt es nicht. Ganz im Gegenteil. Bislang waren UBS-Präsident Kaspar Villiger und sein CEO Oswald Grübel vollauf mit dem Überlebenskampf beschäftigt.
Die Börse als Tummelplatz
Der UBS-Börsenkurs kann jederzeit wieder crashen. Umso mehr, als diese Bank, mit der Ausnahme der Zehn-Prozent-Beteiligung eines staatlichen Investitionsfonds aus Singapur, kein stabiles Aktionariat mehr hat. Die einst mündelsicheren UBS-Papiere sind zum beliebten Spekulationsobjekt geworden.
Da Volumen und Zahl der Abschlüsse an der Schweizer Börse auch im zweiten Quartal 2009 trotz stark steigender Kurse weiter geschrumpft sind, werden die Kurse mit immer weniger Kapital bewegt. Es ist kein Zufall, dass die dänische Saxo Bank auf Plakaten und Inseraten mit dem Berner Radrennfahrer Fabian Cancellara für ihr Online-Brokerage wirbt. Denn seit sich Pensionskassen und institutionelle Anleger die Finger verbrannt haben, ist die Aktienbörse zum Tummelplatz der VolkskapitalistInnen geworden.