Personenrätsel: Der Bastler

Nr. 42 –

Solange es ging, wählte er kommunistisch; kurze Zeit war er sogar Mitglied des paramilitärischen Roten Frontkämpferbundes. Politisch in Erscheinung trat der wortkarge Landwirtssohn aber nicht. Lieber engagierte er sich in Konstanzer und Kreuzlinger Trachtenvereinen, wo er den Kontrabass und die Zither spielte und – wie die Schweizer Behörden später der Gestapo mitteilten – den Damen als «flotter Bursche» und einfühlsamer Tänzer galt. Auch nach dem Machtwechsel blieb der 1903 geborene Schwabe politisch unauffällig. Innerlich aber reifte in ihm die Überzeugung, dass das «Dritte Reich» in die Katastrophe führte.

Der Schreinergeselle besann sich auf seine handwerklichen Fähigkeiten und seinen Erfindergeist, mietete in München ein Zimmer und liess sich nachts heimlich im «Bürgerbräukeller» einschliessen. Nach sechs Wochen hatte er das Werk vollendet: Die Säule war ausgehöhlt, mit einem selbst gebastelten doppelten Uhrwerk und Sprengstoff gefüllt und wieder ordentlich verschalt. In der Nacht zum 8. November 1939 kontrollierte er seine Konstruktion ein letztes Mal, dann setzte er sich in den Zug und versuchte um halb neun abends von Konstanz aus illegal in die Schweiz zu gelangen. Die Flucht scheiterte. Zunächst wunderten sich die deutschen Zöllner allerdings nur über den Tascheninhalt des 36-Jährigen (neben einer Beiss­zange fanden sich Schrauben, eine Uhrfeder und Zünderteile). Zu deuten wusste man den Fund erst, als um 21.20 Uhr in München die Zeitbombe detonierte. Sieben Menschen riss sie in den Tod, nur den nicht, dem sie zugedacht war: Adolf Hitler hatte das NSDAP-Gründungslokal, in dem er wie jedes Jahr eine Gedenk­rede hielt, kurz zuvor verlassen.

Wer war der lange missachtete Widerstandskämpfer, der für seine Tat am 9. April 1945 erschossen wurde?

Wir fragten nach dem auf der Schwäbischen Alb geborenen Schreiner Johann Georg Elser, der im Jahr 1939 – «um den Krieg zu verhindern» – im Alleingang ein Attentat auf Adolf Hitler vorbereitete.
Obwohl die Einzeltäterschaft schnell feststand, liess die NS-Führung vermelden, es stecke eine breit angelegte Verschwörung des britischen Geheimdiensts dahinter. Um gegen den «Handlanger ausländischer Mächte» nach dem Krieg einen Schauprozess führen zu können, wurde Elser zunächst im KZ Sachsenhausen, dann in Dachau verwahrt, wo er kurz vor Kriegsende erschossen wurde.
Die Verschwörungstheorie, aber auch die Version einzelner Oppositioneller, die Gestapo habe sich des «SS-Mitglieds Elser» bedient, um mit dem Attentat die Unverletzbarkeit des NS-Führerpersonals zu demonstrieren, hielten sich bis lange nach dem Krieg. Als Widerstandskämpfer wahrgenommen und geehrt wird Elser erst seit den achtziger Jahren.