Wahlsplitter 2011

Nr. 43 –

Links

Es gibt Gründe zur Trauer nach dem vergangenen Wahlsonntag, doch hier soll für einmal die Freude im Vordergrund stehen. Zum Beispiel über jenen Kanton, der bisher verlässlich die Strassen- und Atomlobby nach Bern sandte, nun aber mit Pascale Bruderer erstmals seit 1943 wieder eine Sozialdemokratin ins Stöckli schickt. Oder über den 24-jährigen Walliser Jungsozialisten Mathias Reynard, der auf Kosten der Hausmacht CVP als jüngstes Mitglied in den Nationalrat zieht. Reynard rehabilitiert zugleich seine Heimatgemeinde Savièse. Aus der stammt nämlich auch ein Nationalrat, der gerne über Blut, Sex und Tränen dichtet und noch lieber tiefbraune Freunde besucht. Freudig stimmen auch jene neu gewählten Grünen, die klar aufzeigen, dass der Weg nach der Wahlniederlage eben nicht nach rechts weist: Regula Rytz aus Bern und Balthasar Glättli aus Zürich.

Noch eine Bemerkung zur Genfer Linken. Hiess es früher, es handle sich um die landesweit militanteste, geht heute der böse Spruch um, es sei wohl eher die dümmste – rechnen kann sie jedenfalls nicht: Hätten sich die drei Parteien am linken Rand des Spektrums – Ensemble à Gauche, Parti Suisse du Travail und La Gauche Combative – nicht zersplittert, sondern in einer Listenverbindung zusammengetan, hätte das Linksbündnis seinen vor vier Jahren verlorenen Sitz zurückerobern können.

Ein Nachtrag zur Bündner Mystery Tour (WOZ Nr. 39/11): Silva Semadeni, die in den neunziger Jahren bereits einmal für die SP im Nationalrat sass, ist mit einem guten Resultat gewählt worden. Für Jon Pult hat es dieses Mal nicht ganz gereicht – 600 Stimmen fehlten dem jungen Bündner SP-Präsidenten. Im Kanton Glarus hat Juso-Präsident Yannick Schiess einen Achtungserfolg erzielt und über 2000 Stimmen geholt, obschon er seine Kandidatur erst vor drei Wochen bekannt gegeben hatte. Der bisherige BDP-Nationalrat Martin Landolt wäre sonst konkurrenzlos geblieben.

Halb rechts

Wenn überhaupt, ist der «alten» Mitte weit mehr zu trauen als der neuerdings hochgejubelten «neuen» Mitte. Von der CVP ist immerhin bekannt, was von den betreffenden PolitikerInnen zu erwarten ist – oder eben nicht. Mit Alois Gmür aus Einsiedeln scheint nun ein neuer Vertreter der alten Mitte in den Nationalrat einzuziehen, der sympathische Eigenschaften mitbringt: Er braut Bier, das auch in der Berner Reithalle ausgeschenkt wird. Er setzte sich für den Erhalt des Einsiedler Spitals und der dortigen Arbeitsplätze ein. Und er kennt die Grundgesetze dieses Landes: «Bei den Reichen lernt man sparen.» Ein auffallender Vertreter der neuen Mitte ist zudem der Berner Urs Gasche von der Anti-AWK-Partei BDP. Er ist Verwaltungsratspräsident der BKW, die das AKW Mühleberg betreibt. Für einmal ist also unschwer zu erkennen, was da auf uns zukommt.

Rechts

Die Banken können aufatmen: Der Kanton Appenzell-Ausserrhoden schickt den 31-jährigen Anwalt und FDP-Vertreter Andrea Claudio Caroni nach Bern. Der war einst persönlicher Mitarbeiter von alt Bundesrat Rudolf Merz. UBS und CS wissen jedenfalls, an wen sie sich wenden sollen, wenn es mal wieder brenzlig wird.

Ganz rechts

Auch die Leventina kann aufatmen. SVP-Menschenfreund Ulrich Schlüer wollte den Tessiner Landstrich im Fall eines möglichen Angriffs aus dem Süden vom Gotthard aus mit Streubomben «unpassierbar» für den Feind machen. Nach seiner Abwahl bleiben Schlüer immerhin noch die Spargelfelder von Flaach. Dort sind dank polnischer SpargelpflückerInnen ohnehin die schöneren Kollateralschäden zu erwarten.

Aufatmen können auch Geiss Zottel und eine Hühnerherde im Sarganserland. Die beiden SVP-Tierfreunde Ernst Schibli und Elmar Bigger werden künftig wieder mehr Zeit für die Stallpflege finden.

Sein Vorschlag schien vernünftig: Der jurassische Psychologe Dominique Baettig verlangte, der Bundesrat müsse es möglich machen, Grenzgebiete in die Eidgenossenschaft aufzunehmen, sollte eine Mehrheit der betroffenen Bevölkerung dies wünschen. Der SVP-Nationalrat beschritt sozusagen den umgekehrten Weg: Statt die Schweiz in die EU zu führen, wollte er die EU in die Schweiz eingliedern. Offensichtlich schien dieser Weg dem jurassischen Stimmvolk zu mühselig. jj