Kultour

Nr. 15 –

Festival

Stanser Musiktage

Gnadenkapelle, Kapuzinerkirche, Chäslager, Kollegium St. Fidelis, Club im Engel, Winkelriedhaus, Theater an der Mürg: In dieser Reihenfolge werden dieses Jahr die verschiedenen Veranstaltungsorte im Rahmen der Stanser Musiktage bespielt und besungen. Die aus Seoul stammende Sängerin Youn Sun Nah eröffnet den Reigen in der Gnadenkapelle mit einem bezaubernden Mix aus Jazz und Pop. Ihren «Calypso Blues» beginnt sie mehr gehaucht als gesungen. Sie produziert einige begleitende rhythmische Loops, schwebt dann behutsam in einen Jazzsong hinüber. Die seit einigen Jahren in Paris lebende Südkoreanerin tritt mit dem Gitarristen Ulf Wakenius auf, der sie schon auf ihren letzten Alben begleitet hat.

Als Botschafterinnen Afrikas stehen die Sängerinnen Sandra Nkaké aus Kamerun und Fatoumata Diawara aus Mali auf der Bühne. Der virtuose Pianist Tigran Hamasyan fügt mit seinem von armenischer Volksmusik geprägten Stil dem Jazz eine weitere Nuance bei. Ähnliche Erweiterungen versuchen einheimische Gruppen wie Hildegard lernt fliegen, Sarah Büchis Thali oder der Violinist Tobias Preisig mit seinem Quartett.

Für den Ausklang gehts dann noch ins Untere Beinhaus zu meditativen Klängen mit dem chinesischen Musiker Wang Li. Er ist ein Meister der Maultrommel (Trümpy) und haucht auch noch der Kürbisflöte Atem ein. Für etwas mehr Schub sorgt dann der US-amerikanische Posaunist Joseph Bowie, der mit der Bigband der Hochschule Luzern auftritt.

Auch im Rahmenprogramm sind wohlklingende Namen zu finden: zum Beispiel Napalmthree aus der Jazzecke, das Imperial Tiger Orchestra mit wunderbarer Musik aus Äthiopien und dann noch die Dead Brothers aus Bern. Da wären wir schon beinahe wieder im Beinhaus angelangt.
Fredi Bosshard

Stanser Musiktage in: Stans Diverse Orte im Zentrum, So, 15. April, bis Sa, 21. April. 
www.stansermusiktage.ch

Diskussion

Freiheit, Faulheit, Gartenbau!

In der Redenreihe «Warten auf die Revolution» im Zürcher Schauspielhaus macht sich der Schriftsteller Lukas Bärfuss gemeinsam mit seinen Gästen auf die «Suche nach Gegenentwürfen zum vorherrschenden Lebensstil».

Nach dem Theologen Hans Küng ist nun Tom Hodgkinson an der Reihe: Ausgehend von der Frage, wie wir uns «aus den Sachzwängen der Wirtschaft und der Politik» befreien könnten, wird der Bestsellerautor («Die Kunst, frei zu sein», «Leitfaden für faule Eltern» und zuletzt «Schöne alte Welt») und selbsternannte Müssiggänger über «das Glück und die Sprengkraft des einfachen Lebens» referieren. Hodgkinson plädiert dafür, sich von der Konsumgesellschaft abzumelden und stattdessen auf gepflegten Müssiggang und Eigenproduktion zu setzen, «auf Mittagsschlaf und geselligen Alkoholkonsum statt Shopping und protestantische Arbeitsethik».

Ob ein solcher Rückzug tatsächlich jene «Sprengkraft» in sich trägt, die Hodgkinson verspricht oder sich zumindest erhofft? Es darf diskutiert werden (Vortrag und Gespräch auf Englisch)
Adrian Riklin

«Warten auf die Revolution III: Tom Hodgkinson» in: Zürich Pfauen, So, 15. April, 20 Uhr. 
www.schauspielhaus.ch

Konzert

Baumann und Frith

Die Berner Vokalistin Franziska Baumann lässt ihre Stimme locker über vier Oktaven gleiten. Sie verfeinert Songstrukturen und verdichtet Stimmaktionen zu mikrotonalen Räumen, nutzt dabei gekonnt die Möglichkeiten der elektronischen Verästelungen. Mit dem Genfer Pianisten Michel Wintsch, der gelegentlich den Moog-Synthesizer spielt, lotet sie seit Ende der neunziger Jahre musikalische Räume aus. In der aktuellen Formation sind mit dem Gitarristen Fred Frith und dem Schlagzeuger Gerry Hemingway Musiker integriert, die in Basel und Luzern unterrichten.

Was alle auszeichnet, ist die Fähigkeit, sich unaufdringlich in improvisatorischen Zusammenhängen zu bewegen und so aus dem Augenblick heraus eine Band zu formieren. Frith war bereits in den siebziger Jahren in legendären Gruppen wie Henry Cow, Slapp Happy, Art Bears aktiv. Aktuell stehen bei ihm die Band Cosa Brava – deren zweite CD «The Letter» soeben erschienen ist – und Arbeiten für Theater, Tanz und Film im Zentrum. Zusammen mit Baumann, Wintsch und Hemingway, der oft mit Anthony Braxton, Ray Anderson, Marilyn Crispell und anderen unterwegs war, bildet er ein elastisches Viereck mit Ausstülpungen, die dafür sorgen, dass keine Routine aufkommt. So bleibt die Musik für ZuhörerInnen und Spielende voller Überraschungen.
Fredi Bosshard

Baumann–Frith–Wintsch–Hemingway in: 
Zürich Rote Fabrik, So, 15. April, 19 Uhr. 
www.rotefabrik.ch

Ausstellung

Russland heute

Unter dem Titel «Halblegal? Volle Stimmen!» möchte das Philosophicum in Basel zusammen mit der Nichtregierungsorganisation Nochlezhka Suisse Solidaire und der Galerie Parzelle 403 den Blick auf die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation in Russland ermöglichen.

Das russische KünstlerInnenpaar Alexander und Nathalie Suworow-Franz setzt sich in seinen Werken mit der Realität von sozial Randständigen im heutigen Russland auseinander. Die Ausstellung ihrer Werke bildet das Zentrum der zweiwöchigen Veranstaltungsreihe, in der prominente KennerInnen der russischen Gegenwart zu Wort kommen: Der Moskauer Philosoph Michail Ryklin äussert sich am Dienstag, 17. April, über die aktuelle politische Situation und «das Vermögen und die Grenzen von Kunst». Am Montag, 30. April, berichtet Ann-Dorit Boy, Moskau-Korrespondentin für NZZ und «Die Zeit», im Gespräch mit WOZ-Autor Thomas Bürgisser und dem Wahlbeobachter Wadim Chochrjakow über ihre Beobachtungen im aktuellen Russland.

Die Veranstaltungsreihe wird am Freitag, 4. Mai, mit einer Finissage zur Ausstellung und einem Gespräch der beiden ausstellenden KünstlerInnen mit den Basler Künstlerinnen Celia und Nathalie Sidler beschlossen. Thema: Schauplätze zeitgenössischer engagierter Kunst in Russland und in der Schweiz.
Adrian Riklin

«Halblegal? Volle Stimmen!» in: Basel Philosophicum im Ackermannshof, St.-Johanns-Vorstadt 19–21, Di–Sa, 14–18 Uhr; Parzelle 403, Unterer Heuberg 21, Do/Fr, 17–21 Uhr, 
Sa, 14–18 Uhr. Bis 4. Mai. 
www.philosophicum.ch

Film

Alles Terroristen?

«Der Terrorverdacht ist eine Möglichkeit, die Grundrechte zu überspringen», sagte die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz an einer Veranstaltung in Zürich im vergangenen Dezember. Der Verdacht lauert heutzutage an vielen Orten: Da reichen ein besitzloser Koffer in einer Bahnhofshalle, eine andere politische Einstellung oder der Wille nach Freiheit.

Doch wo bleibt der Widerstand? Diese Frage stellt sich das Kino in der Reitschule Bern und zeigt im April und Mai Filme, die verschiedene Ansätze des Widerstands beleuchten. Den Auftakt macht «The Weather Underground» (2002) von Sam Green und Bill Siegel. Der Dokumentarfilm beleuchtet die Vorgeschichte und die Aktivitäten der gleichnamigen US-amerikanischen Stadtguerilla. Ihren Namen hat die Gruppe, die 1969/70 aus dem US-amerikanischen Studierendenbund Students for a Democratic Society (SDS) hervorging, aus einem Liedzitat von Bob Dylan abgeleitet: «Du brauchst keinen Wettermann, um zu wissen, woher der Wind bläst.» Die Filmemacher lassen AktivistInnen von damals zu Wort kommen und zeigen auch, wie das FBI illegale Methoden in der Bekämpfung der Revolte anwandte.

Ein weiterer Film in der Reihe ist die japanische Dokufiktion «United Red Army» (2007) von Koji Wakamatsu. Der Film erzählt von der Radikalisierung der 1971 gegründeten United Red Army. Und schliesslich ist mit «Paradise Now» (2005) ein Spielfilm zu sehen, der von zwei Männern erzählt, die für ein Selbstmordattentat in Tel Aviv bestimmt werden.
Silvia Süess

«The Weather Underground» in: Bern Kino 
in der Reitschule, Fr/Sa, 13./14. April, 21 Uhr. 
www.reitschule.ch