Diesseits von Gut und Böse: Unten grau, oben blau

Nr. 43 –

Ich gehöre zu den Privilegierten, die hin und wieder über der Nebeldecke ein kaltes Bett aufwärmen dürfen, weil ich in eine Familie mit uraltem Ferienhäuschen im Wallis eingeheiratet habe. Diese Woche strahlt dort oben noch die Spätsommersonne.

In der kleinen autofreien Gemeinde wurde schon in den letzten Jahren heftig gebaut. Doch seit die Zweitwohnungsinitiative gleich einem Tsunami über das Dorf schwappte, hat der luftige Raum zwischen Bauprofilen bedrohliche Ausmasse angenommen. 86 Baugesuche wollen noch vor Jahresende bewilligt werden, entnahm ich dem Gemeindeblättchen.

Gleich neben der Seilbahn, wo der Blick derzeit frei über satte Wiesen zu fernen Gipfeln gleiten kann, ragen die Profile geschätzte sieben Stockwerke hoch in den Himmel. «Häuser!», antwortet melancholisch der Bäcker, als ich ihn frage, was da denn gebaut werden soll. Sein kleines Café liegt direkt gegenüber, bald werden die Tische zwischen Fassaden stehen. Der Golfplatz im Zentrum des Orts kann nicht überbaut werden, doch wenn es so weitergeht, werden sich die GolferInnen dereinst wie im New Yorker Central Park fühlen.

Macht nichts. Den Himmel sieht man schliesslich auch von unten, und wer den Blick aufs Gebirgspanorama sucht, muss sich halt mal ein bisschen bewegen. Die andern können ja Bergfilme gucken.