Diesseits von Gut und Böse: Das höfliche Beinkleid

Nr. 51 –

Neuerdings sollen ja die AchtundsechzigerInnen am Niedergang gepflegter Umgangsformen schuld sein. Dabei sind mir ein freundliches «Bitte» und «Danke» sowie die Benutzung von Messer und Gabel nach wie vor selbstverständlich, ebenso schätze ich es, wenn Mann nicht auf den Boden spuckt. Ich gehe auch nicht mit rosa Tutu und Federboa an eine Beerdigung – es sei denn, der oder die Verstorbene habe das so gewünscht.

Christoph Stokar, Verfasser des «Schweizer Knigge», befasst sich mit Dresscodes. Auf Jeans an reifen Männern angesprochen, sagte er im «Tages-Anzeiger»: «Gerade Journalisten sind oft ein wenig verkommen. Und Lehrer – wenn diese ein Autoritätsproblem haben, liegt das auch an ihren Kleidern. (…) Meine Generation ist antiautoritär geprägt. Ich musste 40 Jahre alt werden, um einen Smoking zu besitzen.» Den gönne ich Herrn Stokar natürlich von Herzen. Dennoch erinnere ich als ehemalige Lehrerin keine signifikante Korrelation zwischen Autoritätsverteilung und Kleidungsstil bei meinen mehrheitlich männlichen Kollegen.

Aber wenn schon unbedingt eine Symbolik her muss: In manch einer Jeans mag ja ein kompletter Depp stecken, doch eines steht zweifelsfrei fest: Die Finanzkrise wurde mehrheitlich im Herrenanzug angezettelt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen geruhsame Feiertage – in welchem Outfit auch immer!