Personenrätsel: Die verrückte Anatomieprofessorin

Nr. 3 –

Weil sie ins Parlament wollte, musste sie ihre Unistelle kündigen. Doch dann akzeptierte die Wahlbehörde einfach ihre Bewerbung nicht: eine Frau in der Politik? Unanständig! Und dann auch noch sie? Ihren Job bekam sie nicht zurück, und die institutseigene Wohnung musste sie auch gleich räumen. Mit 41 Jahren stand die Professorin der Veterinäranatomie vor dem Nichts. Kenias Präsident Daniel arap Moi rieb sich damals die Hände, denn die Vorsitzende des Nationalen Frauenrats war ihm schon lange ein Dorn im Auge. Er freute sich allerdings zu früh, denn jetzt legte sie erst richtig los.

Als die Bauerntochter 1940 zur Welt kam, war Kenia noch britische Kolonie. Sie besuchte die Missionsschule, erhielt ein Stipendium der Kennedy-Stiftung und studierte in den USA Biologie, Chemie und Deutsch. Nach Kenias Unabhängigkeit kehrte sie zurück und wurde 1971 eine der ersten Frauen Afrikas mit Doktortitel. Als sie über eine Krankheit forschte, die nur Importvieh befiel, ging ihr auf, dass die Bodenerosion ein viel grösseres Problem war. Rücksichtslos wurden für den Export Ressourcen geplündert und Wälder gerodet. 1977 gründete sie das Green Belt Movement: Die Menschen sollten nicht auf die Regierung hoffen – die ja Teil des Umwelt- und Armutsproblems war – und ihren Boden mit Bäumen schützen. Tausende Baumschulen entstanden, die Tausenden von Frauen Arbeit gaben. Die Seminare der international wie medial bald gut vernetzten Organisation wurden zu Keimzellen der Menschenrechts- und Demokratiebewegung.

1981 hatte sie nun Zeit, sich ganz auf diese Arbeit zu konzentrieren. Und so war sie zur Stelle, als die Regierung mitten in Nairobis Erholungspark ein sechzigstöckiges Prestigeobjekt hochziehen wollte. Sie verhinderte auch, dass der grosse Stadtwald für Luxusvillen platt gewalzt wurde, beschuldigte die Machthabenden, ethnische Säuberungen zu forcieren, nur um das Land neu verteilen zu können, und erzwang die Freilassung politischer Gefangener. Und während die «Landesverräterin» in Kenia um ihr Leben bangen musste, wurde sie im Ausland mit Preisen überhäuft.

Wer war «die Verrückte mit den Insekten im Kopf» (Moi), die 2002 stellvertretende Umweltministerin wurde und mit 71 Jahren hoch verehrt verstarb?

Wir fragten nach der kenianischen Politikerin, Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Wangari Muta Maathai (1940–2011). Ihr Green Belt Movement («Grüngürtel-Bewegung») machte auch im Ausland Schule und inspirierte die Eine-Million-Bäume-Kampagne des UN-Umweltprogramms. Neben vielen anderen Ehrungen wie dem Alternativen Nobelpeis (1984) und zahlreichen Ehrendoktorwürden – auch von der Nairobi-Universität, die sie 1981 nicht wieder eingestellt hatte – erhielt «Mama Miti», die Mutter der Bäume, 2004 den Friedensnobelpreis.