Kultour
Festival
Afro-Pfingsten Winterthur
Am 24. Afro-Pfingsten-Festival in Winterthur gibt es über eine Woche lang Lesungen, Filme, Märkte, Theater, Workshops und Musik aus und über Afrika. Das Musikprogramm beginnt dieses Jahr mit einer Reggae Night. Junior Tshaka, der vor vier Jahren den European Reggae Contest gewonnen hat, steht als Erster auf der Bühne. Der junge Neuenburger Rasta reist mit seinem neuen Album an: «Boosté par le son». Mit Meta and the Cornerstones sowie Rocky Dawuni stehen Musiker aus dem Senegal respektive aus Ghana im Zentrum. Groundation kommen aus Kalifornien, und Alpha Blondy ist das Reggaeaushängeschild von Côte d’Ivoire. Einzig Jamaika, das Stammland des Reggae, ist heuer nicht vertreten.
Die US-amerikanische Sängerin Iyeoka tritt bei der Global Night am Samstag auf. Ihre Wurzeln liegen in Nigeria, und ihr Name bedeutet «Respektiert mich». Über mangelnden Respekt kann sie sich inzwischen nicht mehr beklagen: Sie ist beim vierten Album angelangt, und ihre Stimme wird mit der samtweichen von Sade und der souligen von Amy Winehouse verglichen. Rokia Traoré aus Mali war schon früher in Winterthur und ist ein sicherer Wert.
Die Tuareggruppe Tinariwen hat in den achtziger Jahren auf Musik aus dem Norden Malis aufmerksam gemacht. 2010 hat die Gruppe Tamikrest, die aus der im Nordwesten von Mali gelegenen Wüstenstadt Kidal stammt, mit dem Album «Adagh» gezeigt, dass auch dort Rock gespielt wird. In der Gruppe Acoustic Africa, die gleich auch die Überschrift zum Sonntagnachmittag liefert, fächern die Sängerinnen Dobet Gnahoré, Manou Gallo und Kareyce Fotso musikalisch gleich einen ganzen Kontinent auf. Für einen warmherzigen Schlusspunkt sorgt Mali mit Amadou & Mariam sowie Salif Keïta. Der furiose Abschluss ist von Seun Kuti aus Nigeria zu erwarten.
Fredi Bosshard
24. Afro-Pfingsten-Festival in: Winterthur verschiedene Orte, Mo, 13., bis Mo, 20. Mai.
Konzertprogramm in Halle 53, Fr, 17. Mai, 19 Uhr, Reggae Night; Sa, 18. Mai, 19 Uhr, Global Night; So, 19. Mai, 13.30 Uhr, Acoustic Africa und, 19 Uhr, African Night. www.afro-pfingsten.ch
Konzert
Stereo Luchs
Als Silvio Brunner entwirft er Häuser, nachts wirft er sich in den Pelz und ist als Stereo Luchs mit jamaikanischem Dancehall und Reggae unterwegs. In «Was isch los» enerviert sich der scheue Räuber über die polizeilichen Kastenwagen, die überraschend schnell auftauchen oder schon bereitstehen, sobald einige Jugendliche etwas Spass haben wollen. Er singt Reggaedialekt, erzählt viel über die Stadt Zürich, in der in Sommernächten Kino und Snowboard am See stattfinden, TriathletInnen im Zentrum ihre Runden drehen, aber, «wänns veruss en Dance hät …», immer jemand die Polizei ruft. Für die Stadt, die «vo Bratwurst und Bierglas» regiert wird, wünscht er sich zusammen mit Eki: «Wüsch de Zwingli use.»
«Stepp usem Reservat» heisst die erste CD von Stereo Luchs, und wie gut vernetzt er ist, zeigen die illustren Gäste. Phenomden, sein langjähriger Wohnpartner, ist dabei, wie der Luchs früher bei ihm, aber auch der Dancehall-Pirat Ronny Trettmann aus Leipzig. Mono Dachs und Mad Iltis unterstützen ihn auf «Artist Linkup», jagen ihre Stimmen durch die elektronischen Hallräume, zwirbeln sie durch Echokammern. Neben Silly Walks, Junior Bender und Maffi hat Mr. Mento von The Scrucialists kräftig mitgeholfen bei der Produktion der CD. Die Band begleitet Stereo Luchs gleich auf der Tour – «Stepp usem Reservat».
Fredi Bosshard
Stereo Luchs & The Scrucialists in: Chur Selig, Sa, 11. Mai, 21 Uhr; Zürich Exil, Fr, 17. Mai, 22 Uhr. Weitere Konzerte: www.pegelpegel.ch.
Theater
Vanillisierung der Gesellschaft
Studien belegen es: Die Fähigkeit vieler Menschen, Aromen zu erkennen, nimmt durch die industrielle Nahrungsproduktion markant ab. Viele Kinder erkennen das Aroma einer frischen Walderdbeere nicht mehr – und ziehen ihm das künstliche Erdbeeraroma vor.
Das Theater Marie wagt sich nun in die schillernde Welt der Lebensmittelindustrie und der Aromaherstellung. Seine Forschungsergebnisse präsentiert es am Beispiel der Vanilleherstellung – jenes Aromas, das ursprünglich aus Mexiko und Mittelamerika stammt und aus den fermentierten Kapseln verschiedener Arten der Gattung Vanilla gewonnen wird.
Heute wird es vor allem auf Inseln des Indischen Ozeans angebaut. Sein Geschmack ist allgegenwärtig. Kaum eine Süssspeise im Supermarktregal, die nicht mit Vanille versetzt wäre. Schon Säuglinge erhalten vanillisierte Babynahrung. Denn Vanille ist nicht nur süss – es beruhigt Nerven, hilft gegen Müdigkeit und soll erotisierend wirken. Auch wenn es oft gar nicht echt ist, sondern chemisch hergestellt wird (wie etwa «Erdbeermund» von der Migros, eine Erdbeerkonfitüre mit Vanillegeschmack), weil es viel zu teuer käme angesichts des knappen Rohstoffs.
Anhand der Vanillegeschichte und der ihres kleinen Bruders Vanillin unternehmen Pascal Nater, Michael Glatthard und Philippe Meyer eine theatralisch-musikalische Reise zu den Ursprüngen der Lebensmittelveredelung und präsentieren die Ergebnisse ihrer Gespräche mit Raumbedufterinnen und Lebensmittelchemikern, mit Marketingspezialistinnen, stillenden Müttern und Gastrokritikern (Regie: Olivier Bachmann).
Adrian Riklin
«Von der schleichenden Vanillisierung der Gesellschaft» in: Bern Schlachthaus Theater, Fr/Sa, 10./11. Mai, 20.30 Uhr; Aarau Theater Tuchlaube, Fr/Sa, 17./18. Mai, 20.15 Uhr; Publikumsgespräch am Freitag nach der Vorstellung. www.theatermarie.ch
Projekt «fremd?!»
«Eine theatralische Auseinandersetzung mit meiner eigenen Identität hätte mir als Jugendliche gutgetan.»
Das sagte Özlem Yilmaz vor zwei Jahren im Gespräch mit der WOZ. Die Basler Sängerin und Musikerin mit türkisch-kurdischen Wurzeln ist eine von über zwanzig KünstlerInnen, die am transkulturellen Theaterprojekt «fremd?!» beteiligt sind. Gemeinsam mit Schulklassen in Basler Quartieren mit hohem MigrantInnenanteil erarbeiteten die KünstlerInnen während acht Monaten Theaterprojekte. Die sind nun zu sehen. Im Zentrum der Projekte steht die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit sich, mit ihrer Herkunft, ihren Familien, ihren FreundInnen, ihrem Zuhause und ihrer Heimat – wo immer die auch sein mag. Die Jugendlichen entwickeln die Stücke jeweils selbst, sie singen, tanzen und spielen mit Unterstützung von professionellen Theaterschaffenden, MusikerInnen und TänzerInnen, die fast alle ebenfalls einen Migrationshintergrund haben.
Die Schauspielerin und Regisseurin Anina Jendreyko gründete das Projekt «fremd?!» vor sieben Jahren, um Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Stimme und die Möglichkeit zu geben, ihre Lebenswelten zu zeigen.
Silvia Süess
Transkulturelles Projekt «fremd?!» in: Basel Vorstadttheater, Mi–Fr, 15.–17. Mai, 19.30 Uhr (Klasse 1A der IBK/Schule für Brückenangebot). Weitere Vorführungen anderer Klassen bis 21. Juni. Genaue Daten siehe: www.projektfremd.ch.
Film
Iranische Filme
Seit ein paar Jahren werden iranische Filme international beachtet wie noch nie. Gleichzeitig sind viele iranische Filmschaffende einer bis in den Alltag reichenden Repression ausgesetzt – viele leben im Ausland.
Das Neue Kino Basel zeigt in seinem Maiprogramm Filme aus dem Iran. «The Day I Became a Woman» von Marzieh Meshkini ist ein Episodenfilm, in dessen Zentrum drei Frauen aus drei Generationen stehen. Der ruhige Film ermöglicht einen Einblick in die Psyche der Protagonistinnen und zeigt die Auswirkungen islamischer Traditionen auf ihren Alltag. Der Regisseur und Drehbuchautor Asghar Farhadi gewann mit seinem Beziehungsdrama «A Separation» 2012 einen Oscar. Bereits drei Jahre zuvor war er an der Berlinale für sein Werk «About Elly» ausgezeichnet worden. Farhadi erzählt darin von einem Wochenendausflug von drei Familien ans Kaspische Meer, bei dem die junge Lehrerin Elly verschwindet. Ausserdem zeigt das Neue Kino «Close-up» von Abbas Kiarostami. Und schliesslich ist «Crimson Gold» (2003) von Jafar Panahi zu sehen, einem der wichtigsten unabhängigen iranischen Filmemacher. Im Dezember 2010 erhielt Panahi für zwanzig Jahre Berufsverbot und wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wegen «Propaganda gegen das System».
Silvia Süess
Iranische Filme in: Basel Neues Kino, bis Ende Mai. Programm siehe: www.neueskinobasel.ch.