Kultour

Nr. 7 –

Ausstellung

Masken von Feiglingen

Er kam eigentlich von der Pleinair-Malerei, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass er sein bürgerliches Leben als Ladeninhaber verbrachte und es ihn nach draussen zog. Dabei waren seine Geburtsstadt Ostende und das Meer sein bevorzugtes Motiv. Doch in einer weiteren Schaffensphase liess der 1860 geborene Künstler James Ensor, der die deutschen Expressionisten ebenso beeinflusste wie die Surrealisten, die Seelandschaften hinter sich. Umgeben von der Verlogenheit der mondänen Salons, wandte er sich einer von der japanischen Kunst inspirierten, grotesken und karnevalesken Ikonografie zu: «Ich fand Vergnügen daran, Masken zu malen. So konnte ich die scheinheiligen, heuchlerischen, berechnenden und trügerischen Gesichter der Feiglinge, die durch meine Veränderungen vernichtet wurden, philosophisch betrachten», erklärte er 1899 in einem Brief.

Das Kunstmuseum Basel zeigt «Die überraschten Masken» in einer Ausstellung, die auf den Beständen des Königlichen Museums für Schöne Künste Antwerpen beruht, die weitaus grösste und bedeutendste Ensor-Sammlung, ergänzt durch teilweise erstmals vorgestellte Gemälde aus Schweizer Sammlungen. Welcher Art der Humor Ensors ist, zeigen Bildnisse wie «Die Verwunderung der Maske Wouse» (1889) oder «Die Intrige» (1890). In Letzterem dominieren überzeichnete Gesichtszüge, aufgerissene oder zerborstene Münder, aus denen der Unflat quillt, und hämische Blicke. Ensor, schreibt Nina Zimmer im Begleitkatalog, überhöhe in seinem Spätwerk das Fantastische ins Groteske und leiste damit seinen Beitrag zur Ästhetik des Hässlichen, die nach Friedrich Theodor Vischer erst «das Wunderbare» hervorbringt.

James Ensor «Die überraschten Masken» in: 
Basel Kunstmuseum, Sa, 15. Februar 2014, 17 Uhr, 
Eröffnung; Di–So, 10–18 Uhr; bis 25. Mai. 
www.kunstmuseumbasel.ch

Ulrike Baureithel

Ein Paket für Herrn Assange

Nach 32 Stunden war es so weit: Das Paket mit Kamera und Sender hatte alle Postsäcke, Verteilzentren und Sicherheitsschleusen durchquert und war in der ecuadorianischen Botschaft in London angelangt. Julian Assange tauchte vor der Linse auf und zeigte dem Publikum, das den Weg des Pakets live im Internet verfolgen konnte, handgeschriebene Botschaften, darunter «Postal art is contagious!» oder «Free Bradley Manning!». Der Mediengruppe Bitnik aus Zürich war es mit dem Paket einmal mehr gelungen, die Überwachungstechnik gegen diese selbst zu richten und den Weg zu einem von den USA meistgesuchten Männer freizulegen: «Transparency for the state! Privacy for the rest of us!» stand auf einem der weiteren Zettel Assanges.

Im Zürcher Helmhaus ist der Weg des Pakets nochmals zu verfolgen, wie auch derjenige des nächsten, das Assange an den Menschenrechtsaktivisten Nabeel Rajab nach Bahrain abschickte. Das Künstlerkollektiv baut ausserdem das Arbeitszimmer von Assange nach, mit Fitnesstrainer, Boxhandschuhen und Computer, symbolhaft für andere enge Räume der Weltpolitik, in denen Aufklärer wie Edward Snowden festsitzen. Für den 8. März ist ein Ferngespräch mit Assange geplant, auf welchem Kanal auch immer. Dann wird auch ein Buch des Journalisten Daniel Ryser zur Aktion erscheinen, es trägt den vielversprechenden Titel «Ein Paket für Herrn Assange».

!Mediengruppe Bitnik «Delivery for Mr. Assange» in: Zürich Helmhaus, Do 13. Februar 2014, 18 Uhr, Eröffnung; Di–So, 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr; 
bis 6. April 2014. www.helmhaus.org

Kaspar Surber

Konzert

Folklore Imaginaire

Im Abstand von zwei Jahren sind zwei CDs mit dem Titel «Dedications» erschienen. Die erste hat der französische E-Bass-, Tuba- und Serpentspieler Michel Godard mit dem deutschen Pianisten Patrick Bebelaar zusammen eingespielt. Die zweite stammt vom Schlagzeuger und Perkussionisten Günter «Baby» Sommer aus Dresden.

Bebelaar und Godard finden auf ihrer Duo-CD zu kammermusikalischem Spiel von grosser Intimität. Jeder ihrer Songs transportiert eine Widmung an eine Person aus ihrem Freundeskreis, und wenn man von der Musik auf die Personen schliessen will, dann muss es sehr Zartbesaitete, aber auch einige Saftwurzeln darunter haben. Auf «Once for Vince» sind südafrikanische Rhythmen angetönt, das Stück ist Vincent Klink zugeeignet, dem Wirt im Restaurant Wielandshöhe in der Nähe von Stuttgart. Er bezeichnet die beiden Musiker als «ausgewiesene Geniesser, und wer sie bei Tisch oder in der Küche beobachtet, spürt pulsierende Sinnlichkeit». Das lässt sich natürlich auch auf die Bühne und ihre Musik übertragen, wobei die «pulsierende Sinnlichkeit» auch auf den Melodiker Günter «Baby» Sommer zutrifft.

Sommer führt mit «Dedications» die Serie «Hörmusik» fort, die bereits 1979 in der damaligen DDR begann. Er ist inzwischen bei der vierten Folge angelangt, und die widmet er ganz seinen Schlagzeug spielenden Kollegen. Das erste Stück «Von Baby zu Baby» ist Baby Dodds (1898–1959) gewidmet, dem Sommer seinen Übernamen zu verdanken hat. Man darf also gespannt sein, was daraus wird, wenn Bebelaar, Godard und Sommer zusammenfinden und ihre «folklore imaginaire» entwickeln.

Bebelaar, Godard und Sommer in: 
Zürich Rote Fabrik, So, 16. Februar 2014, 17 Uhr. 
www.rotefabrik.ch

Fredi Bosshard

Theater

Der bewegte Mann

Pflege gilt landläufig als Frauenarbeit. Dass dem nicht (mehr) so ist, wurde in einer Betriebsumfrage bekannt, über die kürzlich die «Männer-Zeitung» berichtete. Ein Viertel der rund 5000 befragten Männer aus verschiedenen Branchen, so das Ergebnis, hat mittlerweile Erfahrungen in der Angehörigenpflege.

Was also macht einen Mann zum Mann? Die knallharte Tour oder der Mut, sich auf die Berührung mit dem «Weiblichen» – nicht nur in den bekannten Zonen! – einzulassen? Ist er in Stöckelschuh schon eine Tunte oder ein Weichei, wenn er der alten Mutter den Hintern abwischt?

Die Auseinandersetzung mit der Männerrolle steht im Mittelpunkt der Tanzperformance «Männer», die beim Jungen Theater Basel demnächst auf die Bühne kommt. Sieben Männer zwischen 17 und 25 Jahren haben sich für diese dritte Tanztheaterproduktion des belgischen Choreografen Ives Thuwis zusammengefunden, um sich der Frage ihres Geschlechts zu stellen und mit den Rollenklischees zu spielen. Die Darsteller sind bunt zusammengewürfelt, und entsprechend unterschiedlich gehen sie mit der Herausforderung um. Der eine singt Schlager, der andere versucht es intellektuell, zwei weitere toben auf dem Rasen. Bleiben sie als Konkurrenten auf Abstand, oder finden sie zueinander?

Von Ives Thuwis und seinem Team, der mit «Alles auf Sand» schon im Zürcher Schiffbau die Bühnenbretter zum Wackeln gebracht hatte, ist im wahrsten Sinne des Wortes «Bewegendes» zu erwarten. Vielleicht sogar der «bewegte Mann», auf den wir doch alle warten.

Junges Theater Basel «Männer» in: 
Basel Kasernenareal, Sa, 15. Februar 2014, 
20 Uhr, Premiere (ausverkauft); bis 10. Mai. 
www.jungestheaterbasel.ch

Ulrike Baureithel

Film

Interaktives Kino

Seit fünfzehn Jahren heisst es in Zürich im Februar «Kino Reloaded». Im Zentrum der Reihe «Stattkino» stehen dabei das interaktive Kino und das Experiment. Präsentiert werden Neuinszenierungen von Filmen, die bereits durch die Kinosäle geflimmert sind. Sie richten sich vor allem an ein Publikum, das sich auf Überraschungen freut und auch das Scheitern eines Projekts in Kauf nimmt.

Den Auftakt macht Tim Burtons «Big Fish» von 2003. Der im Sterben liegende Edward Bloom, der sein Leben lang nur Lügen erzählt hat, findet zu einem Ende in fantastischen Bildern. Mit dem Varietétheater von Dominic Ulli wird das Geschehen auf der Leinwand in den Saal hinausgetragen. Im reichhaltigen Jubiläumsprogramm werden neben den Augen mit kulinarischen Programmen oder Parfüms auch die Geruchs- beziehungsweise Geschmacksnerven aktiviert. Im Zusammenhang mit dem neuen Film «Tango Libre» von Frédéric Fonteyne wird gar ein Tangocrashkurs angeboten.

«ewz stattkino» in: Zürich ewz-Unterwerk Selnau und Arthouse Le Paris, Fr, 14. bis Fr, 28. Februar 2014. www.ewz.stattkino.com

Fredi Bosshard