Kultour

Nr. 42 –

Ausstellung

Jewkbox!

Jewkbox? Mit seiner neuen Ausstellung erinnert das jüdische Museum Hohenems daran, dass sowohl die Schallplatte wie das Grammofon jüdische Erfindungen waren – zumindest meldete der aus Deutschland ausgewanderte Emile Berliner beides 1887 in den USA zum Patent an. Sechs Jahre später gründete er die United States Gramophone Company, deren Firmenemblem, der Hund Nipper, zu einem der erfolgreichsten Logos weltweit werden sollte: «His Master’s Voice».

Berliner läutete mit Grammofon und Schallplatte sozusagen das Zeitalter der Massenunterhaltung ein – und zwar weit über die USA hinaus. Während er seinen Firmensitz 1900 nach Montreal verlegte, um schwarze Musik auf Schellack zugänglich zu machen, setzten bald auch andere jüdische Plattenproduzenten innerhalb der USA auf Programme für verschiedene ethnische Gruppen. Für die jüdische Kundschaft gab es Aufnahmen von Kantoren aus den verschiedensten Synagogen Europas, aber auch jiddische Theaterlieder oder Platten mit jüdischen Witzen. «Cohen on the Telephone» aus dem Jahr 1913 etwa verkaufte sich über eine Million Mal und trug den jüdischen Humor mitten in die Gesellschaft hinein. Und Moses Asch, der ab 1935 in New York jiddische Theater- und Folksongs auf Schellack presste, interessierte sich zunehmend für schwarzen Blues und linke amerikanische Folksongs – er arbeitete unter anderem mit Pete Seeger zusammen. 1948 schliesslich gründete Asch mit «Folkways» die wohl wichtigste Plattform für Weltmusik.

Das jüdische Museum Hohenems zeigt mit «Jukebox. Jewkbox!», wie eng und gleichzeitig weitverzweigt die Geschichte von Grammofon und Schallplatte mit der Geschichte jüdischer Erfinder, Musikproduzenten und Sängerinnen verknüpft war. Und dass sich Schellack und Vinyl so bald nicht ins World Wide Web verabschieden dürften.

«Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhundert auf Vinyl» in: Hohenems Jüdisches Museum Hohenems, So, 19. Oktober 2014, bis So, 8. März 2015. www.jm-hohenems.at

Franziska Meister

Eingriffe ins System

«Hacking» – so lautet der Titel eines Buchs, das soeben im Christoph-Merian-Verlag erschienen ist. Was Hacking war oder ist, «wandelt sich ununterbrochen mit der Materiallage, mit den Technologien und Wissensformen dessen, was ein Gegenstand eines Hacks sein kann», schreibt Claus Pias in einem Beitrag über die «Kulturgeschichte des Hackens». Das Buch vereint theoretische Beiträge wie jenen von Pias oder «Hacker als Produzenten» von Felix Stalder sowie Gespräche mit Kunstschaffenden, die sich mit den Eingriffen ins System beschäftigen.

Da sind beispielsweise die von Dominik Landwehr aufgezeichneten Gespräche mit der «!Mediengruppe Bitnik» und dem Künstlerduo Übermorgen. Ausserdem ist in der Mitte des kleinen Buchs die fotografische Dokumentation der Reise des Pakets mit einer Kamera abgedruckt, das die Bitniks im Januar 2013 an Julian Assange schickten.

Die Buchvernissage findet in der Kunsthalle St. Gallen statt, wo unter dem Titel «The Darknet – From Memes to Onionland. An Exploration» eine Ausstellung zum Thema zu sehen ist, an der mehr Kunst von der «!Mediengruppe Bitnik», aber auch von Anonymous, Heath Bunting, Hito Steyerl und anderen zu sehen ist.
Buch- und Ausstellungsvernissage in: 
St. Gallen Kunst Halle, Fr, 17. Oktober 2014, 18 Uhr. 
Die Ausstellung «The Darknet – From Memes 
to Onionland. An Exploration» dauert bis 
So, 11. Januar 2015. www.kunsthallestgallen.ch

Workshop und Artist Talk mit Heath Bunting 
sowie Eva und Franco Mattes am Sa, 18. Oktober 2014, 12–16 Uhr und 16.30 Uhr. www.k9000.ch

Silvia Süess

Tanz

Musizieren mit dem Körper

Wer wissen will, wie die Zukunft des Tanzes aussieht, sollte an die Eröffnung der Tanztage «Tanz in. Bern» gehen. Dort ist das Stück «Plage romantique» des in Frankreich lebenden israelischen Musikers und Choreografen Emanuel Gat zu sehen. Der unkonventionelle Dramaturg fand mit 23 Jahren erst spät zum Tanz. Dass er ursprünglich Musiker ist, bleibt in seinen Stücken erkennbar. Auch in «Plage romantique»: In diesem «choreografischen Musical» wird der Soundtrack live von den TänzerInnen produziert. Sie singen, spielen Gitarre oder musizieren mit ihren Körpern.

Das zweiwöchige Festival zeigt neben internationalen Produktionen auch den Stand des aktuellen hiesigen Tanzschaffens. Unter dem Label «Swiss Made» präsentieren vier NachwuchschoreografInnen und -kompanien ihr künstlerisches Schaffen. Zehn bis zwanzig Minuten dauert die Präsentation ihrer jeweiligen Choreografien. Zu sehen sind Cosima Grand mit «Apfel-V», Rebecca Weingartner mit «Hope Instruction», Trigger Track Collective mit «Urbanite» und Bufo Makmal mit «ALLes».

«Tanz In. Bern» in: Bern Dampfzentrale, 
Do, 16. Oktober, bis Sa, 1. November 2014. 
www.dampfzentrale.ch

Silvia Süess

Theater

Der eindimensionale Mensch

So viel gleich vorneweg: «Wir machen nicht Marcuse light. Man muss dem Publikum auch etwas zumuten», sagt Andreas Spechtl, Sänger und Texter der Band Ja, Panik, in der Wiener Wochenzeitung «Falter» zum Musik- und Theaterprojekt «Der eindimensionale Mensch wird 50. Ein Konzert-Theater».

Der Musiker und Texter steht in diesem Projekt gemeinsam mit dem Schauspieler und Musiker Robert Stadlober, dem Autor Thomas Ebermann und dem Autor und Musiker Kristof Schreuf auf der Bühne. Das Stück sei zu dreissig Prozent Theater, dreissig Prozent Konzert und vierzig Prozent Philosophie, ist in einem Stückbeschrieb zu lesen. Im Zentrum steht Herbert Marcuses Buch «Der eindimensionale Mensch», das 1964 erstmals erschien und in dem er die Möglichkeiten von Gesellschaftskritik und Revolution unter den Bedingungen des Fordismus untersuchte. Die vier Künstler erforschen nun Marcuses Schrift und prüfen sie mit Songs, Fragen und Interpretationen auf ihre Aktualität. Zu erwarten ist ein vergnüglicher, überraschender und kritischer Abend, an dem auch das Nichtverstehen erlaubt ist. Denn: «Es wäre aber ein grosser Fehler zu glauben, wir machen jetzt Marcuse verständlich», so Spechtl.

«Der eindimensionale Mensch wird 50. 
Ein Konzert-Theater» in: St. Gallen Palace, 
Sa, 18. Oktober 2014, 21 Uhr. www.palace.sg

Silvia Süess

Film

Irgendwo in Zürich

Er ist einer von 90 000. Oder von 250 000. So genau kennt man die Zahl nicht, und die meisten möchten sie auch gar nicht kennen. Denn Menschen wie ihn dürfte es hier in der Schweiz offiziell gar nicht geben. Farid Dhamrah ist ein Sans-Papiers, ein Papierloser. Der Asylantrag des palästinensischen Schriftstellers wurde abgelehnt, doch da er nicht zurück in seine Heimat kann, lebt er illegalisiert in der Schweiz.

Farid ist der Protagonist des Dokumentarfilms «Farid – in Zürich oder irgendwo» von Pino Esposito. Der Theater- und Filmemacher Esposito porträtiert in seinem Film den Alltag von Sans-Papiers im Zürcher Kreis 4 und begleitet sie beim Verbringen ihrer Tage, die häufig lang und strukturlos sind.

Der aus Kalabrien stammende Regisseur hat bereits in seinem letzten Film, «Il nuovo sud dell’Italia», Menschen porträtiert, die in der Gesellschaft unerwünscht sind. In einer Art filmischen Reflexion zeigte er ein Süditalien, das sich vom Ort der Emigration in einen Ort der Immigration gewandelt hat. Die Marokkaner, Ghanaerinnen und Moldawier hausen dort in menschenunwürdigen Massenunterkünften, arbeiten zehn Stunden für 25 Euro und sind rassistischen Angriffen ausgesetzt. Nicht ganz so schlimm sieht es für Farid und die Mitporträtierten aus. Doch auch sie kämpfen gegen Vorurteile und für ein Leben in Würde – und einige zerbrechen an ihrem heimatlosen Zustand.

«Farid – in Zürich oder irgendwo» in: Zürich Rote Fabrik, Do, 23. Oktober 2014, 20 Uhr, in Anwesenheit des Regisseurs. www.rotefabrik.ch

Silvia Süess