Kultour
Ausstellung
Mit Karton und Klebestreifen
Orte, an denen die Gegenwart offen mit der Vergangenheit und der Zukunft korreliert – so beschreibt der 1976 geborene portugiesische Künstler Carlos Bunga seine gross angelegten Rauminstallationen. Die architektonischen Interventionen, die Bunga meist aus Karton und Klebestreifen fertigt, befragen Erinnerungen, erzählen vom Wesen der Zeit und von unabgeschlossenen Prozessen. Sie geben der Präsenz des Körpers im Raum ein anderes Gewicht und schaffen neue Projektionsflächen. In frühen Arbeiten hat Bunga die medialen Grenzen von Raum und Zeit vor allem in der Malerei und mit kleinen Skulpturen zu überwinden versucht. Später hat er seine künstlerische Praxis erweitert, hat mit Collage, Performance, Zeichnung und Video experimentiert, bis er zur Form der Installation gekommen ist, die ihm schliesslich internationale Beachtung brachte.
Unter dem Titel «I am a Nomad» zeigt das Museum Haus Konstruktiv in Zürich nun das vielschichtige Schaffen des Künstlers. In seiner ersten Einzelausstellung in der Schweiz hat Bunga eine ortsspezifische, begehbare Installation konzipiert. Ausserdem werden Zeichnungen, Skulpturen und Videos gezeigt, die der Künstler im Zusammenhang mit seinen Rauminterventionen entwickelt hat.
Carlos Bunga, «I am a Nomad» in: Zürich Museum Haus Konstruktiv, Selnaustrasse 25, bis 6. September 2015, Di und Do–So 11–17 Uhr, Mi 11–20 Uhr. www.hauskonstruktiv.ch
Stephanie Danner
Image Afrique ’15
Künstlerinnen und Künstler, die sich mit dem afrikanischen Kontinent oder der afrikanischen Diaspora auseinandersetzen, finden in der Literatur zunehmend Beachtung – nicht so hingegen in der Fotografie. Das will die Organisation Piclet.org mit der Ausstellung «Image Afrique» ändern, die heuer bereits zum vierten Mal stattfindet. Aus über 700 eingereichten Arbeiten hat ein internationales Kuratorium die Werke von fünf Fotografen ausgewählt, die Einblicke in das Leben in Kenia, Moçambique, Tunesien, Südafrika und der afrikanischen Diaspora in Frankreich vermitteln.
Ein Dialog auf Augenhöhe soll sich dabei entwickeln, ein «barrierefreier Austausch» – weshalb die grossformatigen Bilder auch im öffentlichen Raum stehen, mitten auf dem Theaterplatz in Basel, und rund um die Uhr zugänglich sind. An der Vernissage am 12. Juni sind auch die Künstler aus Moçambique, Kenia, Tunesien, Frankreich und England vor Ort, und vom 14. bis zum 17. Juni werden sie jeweils am Mittag von 12 bis 13 Uhr persönlich durch die Ausstellung führen. BesitzerInnen von Smartphones können sich zudem die «Popcap Mobile Guide App» im Internet aufs Handy laden, um mehr über die Fotografien zu erfahren. Und für Schulklassen bietet Piclet.org spezielle kostenlose Führungen an.
Nach dem 25. Juni zieht die Ausstellung weiter und macht Station in Tunesien, Nigeria, Kap Verde und Brasilien.
«Image Afrique ’15» in: Basel Theaterplatz, Vernissage am Do, 12. Juni 2015, 18 Uhr. Ausstellung bis Mi, 24. Juni 2015. Führungen für Schulklassen: angela@piclet.org oder Telefon 078 644 40 09.
Franziska Meister
Stadtforschung
Aus Sicht der Amöben
Die Hausbesetzer seien wie Amöben, wetterte der damalige Zürcher Stadtrat Max Koller. Sie änderten immer wieder ihre Form und liessen sich einfach nicht packen. Was abwertend gemeint war, traf den tatsächlichen Charakter der sogenannten Zürcher Jugendunruhen von 1980 exakt. Nach Einschätzung des Stadtforschers und Soziologen Christian Schmid handelte es sich dabei weniger um einen jugendlichen Aufstand denn um eine urbane Revolte. Die vielgestaltige Bewegung hat die Form der Stadt nachhaltig verändert. Sie hat sich den öffentlichen Raum angeeignet, die Kreativität brach sich Bahn – in all ihren Formen von Happenings über Grafik bis zu Video. Bald aber wurde sie in befriedeten Freiräumen kanalisiert. Die oppositionelle Kultur verwandelte sich in ein konsumierbares Angebot. Gemäss Schmid wurde sie damit zur Basis jener Kulturwirtschaft, die heute neben Banken und Konzernen Zürich erst zur Global City macht.
In der Roten Fabrik zeigt Schmid Ausschnitte aus den Filmen «Aktion Helmutstrasse» und «Anarchie und Disneyland», die er während der Zürcher Unruhen 1980 selbst mitproduzierte. Sie beschäftigen sich mit der Wohnungsnot und den Hausbesetzungen in Zürich. Aus der Sicht der Amöben erzählt Schmid von der alternativen Videobewegung und ihrer Rolle in der urbanen Revolte.
«A wie Amöben» in: Zürich Rote Fabrik, Clubraum, Do, 18. Juni 2015, 20 Uhr. www.rotefabrik.ch
Kaspar Surber
Konzert
Blumen Touch
«Wir wollen auf die Reise», singen sie, aber das Ufo, das sie in ihrer Spaceballade «Raumschiff» beschwören, lässt auf sich warten. Doch wenns mit der Tour ins All schon nicht klappen will, darfs wenigstens eine kleine Schweizer Tournee sein, zwischen Bern und Rorschach. Sie nennen sich Blumen Touch und haben in den letzten zwölf Monaten schon drei Dutzend Konzerte quer durchs Land gespielt, aber da hatten sie noch nicht so schicke Schuhe, sie trugen noch keine galaktischen Sonnenbrillen und auch nicht diese pelzigen Epauletten. Ihr Name war: Stahlberger.
Unter dem grandios bescheuerten Decknamen Blumen Touch wagen sich Manuel Stahlberger und Band jetzt ins Zwielicht des abseitigen Schlagers. Viel Genaueres ist nicht bekannt über dieses Nebenprojekt, ausser dass ein Lied über einen Kranfahrer offenbar klingt, wie wenn Alan Vega von Suicide sich an Reinhard Meys «Über den Wolken» versucht hätte, garniert mit Steeldrums. «Musik aus der Vergessenheit, für die Vergessenheit», so lautet die programmatische Ansage der mutierten Stahlbergers. Weiter ist zu erfahren, die Band sei «als Kunstprojekt angelegt», und das müsste man im Normalfall eigentlich als Drohung auffassen. Aber bei Stahlberger klingt das mehr nach einer regenbogenfarbenen Einladung an die, äh, Waghalsigen.
Blumen Touch in: Winterthur Kraftfeld, Fr, 12. Juni 2015; Bern Café Kairo, Sa, 13. Juni 2015; Rorschach Treppenhaus, Fr, 19. Juni 2015; Zürich Helsinki, Sa, 20. Juni 2015.
Florian Keller
Lesung
Lyrik im Kairo
Im deutschen Sprachraum fristet die Lyrik ein eher marginales Dasein – obwohl es oft gerade Gedichte sind, die unaussprechliche Wünsche oder Verborgenes erforschen sowie politische und gesellschaftliche Fragen aufwerfen. Im Café Kairo geben sich jetzt gleich vier Berner Lyriker ein Stelldichein: Martin Bieri, auch als WOZ-Autor tätig, liest aus seinem neuen Buch «Europa, Tektonik des Kapitals». Darin reist er in 66 Gedichten durch Europa, jedes Gedicht handelt von einem bestimmten Ort. Mit auf der kleinen «Kairo»-Bühne stehen Rolf Hermann, von dem zuletzt der Lyrikband «Kartographie des Schnees» erschienen ist, sowie Raphael Urweider, der schon länger als Lyriker tätig ist. Sein letzter Gedichtband, «Alle deine Namen. Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit», erschien 2008. Ausserdem trägt Gerhard Meister Gedichte über Ausserirdische und die Jahreszeiten vor.
Wie viel man in wenigen Worten sagen kann – das kann im «Kairo» erlauscht werden.
«Lyrik im Kairo» in: Bern Café Kairo, Mi, 17. Juni 2015, 20.30 Uhr. www.cafe-kairo.ch
Silvia Süess
Film
Segantini
Die Erkrankung kam unerwartet: Der 41-jährige Giovanni Segantini, Maler und Vater von vier Kindern, war auf dem Schafberg oberhalb von Pontresina, als er wegen grosser Schmerzen einen Arzt rufen musste. Während fünf Tagen und sechs Nächten sass der Arzt neben dem Patienten und linderte seine Schmerzen, bis Segantini am 28. September 1899 verstarb.
Der Schweizer Filmemacher Christian Labhart hat nun einen filmischen Essay über den berühmten Maler und sein Werk gedreht. Zur Kamera von Pio Corradi liest Bruno Ganz autobiografische Texte von Segantini, und Mona Petri rezitiert aus Asta Scheibs Buch «Das Schönste, was ich sah», das von der turbulenten Liebesgeschichte von Segantini und Luigia Bugatti erzählt. Der Film zeigt Originalaufnahmen des Künstlers und gibt auch Einblick in Segantinis schwierige Jugend.
«Giovanni Segantini. Magie des Lichts» in: Bern Kino Kunstmuseum, Fr, 12. Juni 2015, 20.30 Uhr; St. Gallen Kinok, Sa, 13. Juni 2015, 19 Uhr; Basel Kult.Kino Camera, So, 14. Juni 2015, 11 Uhr; Wetzikon Kino Palace, So, 14. Juni 2015; alle Vorführungen in Anwesenheit des Regisseurs. Weitere Vorführungen: www.segantini-film.ch.
Silvia Süess