Diesseits von Gut und Böse: Im letzten Hemd

Nr. 8 –

Innerhalb von drei Tagen wurden zwei ganz Grosse vom Schicksal dahingerafft. Nach dem bedeutenden Mimen verliess uns auch der Modedesigner Karl Lagerfeld, der ja – obgleich in einem ganz anderen Kunstsegment tätig – mit seinem Hang zum Exaltierten ebenfalls theatralisch arbeitete.

Die Trauerwalze, die nun durch die sozialen Medien rollt, erstaunt mich dennoch, scheint mir doch, dass die Menschheit als solche nicht mehr über Haute Couture weiss als ich.

Aber fast alle kennen Herrn Lagerfelds Einstellung zur Jogginghose, deren Träger «die Kontrolle über sein Leben verloren» habe. Aus aktuellem Anlass passte jemand das Zitat auf Facebook an: «Wer das letzte Hemd trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.»

Mir begegnete Lagerfeld meist unter «Vermischtes», zum Beispiel 2017, als er Angela Merkels Politik missbilligte: «Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.» Dieser Satz wird jetzt in einschlägigen Kreisen gerne zitiert, jeweils versehen mit dem Hinweis, da sei einer der wenigen von uns gegangen, die noch wagten, die Wahrheit auszusprechen.

Seinem Image als Weltbürger scheint es nicht gross geschadet zu haben. Aber ich hätte ihn lieber nur als freigeistigen Exzentriker inmitten schönster Frauen in Erinnerung behalten.