Diesseits von Gut und Böse: Der Nerv der Zeit
Für alle, die ihr Erscheinungsbild beim Shoppen plötzlich nicht mehr ertragen, richtet die Schönheitsklinik Pallas im vierten Stock des Zürcher Warenhauses Jelmoli eine Filiale für «Soft-Ästhetik» ein, wo Augenlider gestrafft, Botox gespritzt, Fett abgesaugt und Haarwurzeln transplantiert werden.
VertreterInnen beider Unternehmen versicherten kürzlich der versammelten Presse, dass das Konzept «den Nerv der Zeit trifft», wobei ich persönlich ja von einer solchen Formulierung abgeraten hätte, um jede gedankliche Verbindung zwischen getroffenem Nerv und gespritztem Botox zu vermeiden.
Das Warenhaus Jelmoli gehört seit 2009 der SPS, wohinter sich nicht die Sozialdemokratische Partei, sondern die Immobilienfirma Swiss Prime Site verbirgt. Diese hat nicht nur den Zürcher Prime Tower und andere grosse Häuser gebaut, sondern tummelt sich noch in weiteren Branchen. Nun will sie mittels Lifestyledeal aus der Not des Einzelhandels eine ertragreiche Tugend machen.
Wer kein Blut sehen kann, sollte den vierten Stock also besser auslassen. Weil grössere Eingriffe aber eine Narkose brauchen und das Warenhaus um 20 Uhr schliesst, wird an Brüsten und Vulven in externen Praxisräumen rumgeschnippelt.
«Die meisten Leute mögen das, wenn sie irgendwo hingehen und gleich alles an einem Ort bekommen», freute sich die Warenhaus-Marketingleiterin in «20 Minuten». In den weitläufigen Kellerräumen wird sich demnächst ein Bestattungsinstitut einmieten.