Diesseits von Gut und Böse: Das gastlichste Land

Nr. 49 –

«Wir werden mehr und leben allein» – auch wenn diesem Satz fast ein Hauch Poesie innewohnt, war er bloss der Titel zu folgender Kurzmeldung: «Kein Nachbarstaat beherbergt so viele Migranten wie die Schweiz: 25,1 Prozent der 8 544 527 in der Schweiz wohnhaften Personen sind Ausländer. Laut der gestern veröffentlichten Bevölkerungsstatistik gibt es heute dreimal so viele Einpersonenhaushalte wie 1970.»

Was uns die Nachricht, abgedruckt in «Bund» und «Tages-Anzeiger», sagen soll, erschliesst sich nicht. Vielleicht dachte der oder die Schreibende, das Wort «beherbergen» passe noch gut zur nahen Weihnacht, vor der das traute hochheilige Paar, wie jedes Jahr, um Herberge bittend durch zahllose Kirchen und Gemeindesäle irrt, um am Schluss unter allgemeiner Rührung, Glitzer und Gesang im Bastelstall zu landen?

Für hier wohnende, arbeitende, steuernzahlende AusländerInnen ist die Schweiz jedenfalls keine Herberge, und für jene, deren Schicksal dem des biblischen Paares in mancher Hinsicht ähnelt, schon gar nicht: Auf sie wartet keine Herberge, sondern das Auslieferungsgefängnis. Die wachsende Zahl an Einpersonenhaushalten meint wohl dessen Zellen.

Beim Tamedia-Konzern, der übrigens neu zur TX Group wird, interessiert offenbar längst niemanden mehr, was seine Zeitungen drucken. Die machen halt bloss noch Verluste.