Diesseits von Gut und Böse: Schrille Träume

Nr. 17 –

Ich schaue jetzt jede Woche «Germany’s Next Topmodel» – ein harmloser Kollateralschaden der Pandemie, vermute ich.

In der Castingshow unterziehen sich seit 2006 hübsche junge Frauen sogenannten Challenges, in jeder Folge fliegt eine raus, wer am Ende übrig bleibt, wird «Topmodel» und gewinnt Geld. Die Idee stammt aus den USA, in der deutschen Version leitet, moderiert, juriert, lobt und nörgelt Heidi Klum, in den USA lebendes deutsches Exunterwäschemodel, Unternehmerin und Eigentümerin der Produktion.

Letzte Woche bestand die Herausforderung für die «Mädchen», wie sie ausschliesslich genannt werden, in Fotoshootings für einen «Charity»-Kalender. Inwiefern die Bedingung, dass sie dafür nackt zwischen bunten Luftballons herumhüpfen mussten, dem Wohltätigkeitscharakter dient, wissen aber nur Heidi Klum und der liebe Gott.

Als die erste Kandidatin vor dem Fotografen erscheint, erläutert Klum, während sie der Schönen den Bademantel abnimmt: «Bei einem Nacktshooting präsentieren die Mädchen ganz offensichtlich keine Mode. Sie präsentieren sich selbst. Heute geht es darum, die Persönlichkeit der Mädchen zu sehen.»

Im Busen steckt diese schon mal nicht, denn den bedeckt die Aspirantin konsequent mit der Hand. Vor Glück quietschend ruft sie danach ihren Konkurrentinnen zu: «Es macht mega Spass – Heidi wollte meine Personality sehen!»

Vor Jahren qualifizierte Roger Willemsen Heidi Klum in der «taz» mit ungehemmt harschen Worten. Doch für mich ist sie bloss das Symptom eines Systems, in dem junge Frauen (und inzwischen auch Männer) hart am Lebensziel arbeiten, sich selbst zur Ware machen zu dürfen. Amüsant finde ich es trotzdem.