Diesseits von Gut und Böse: And the winner is …

Nr. 19 –

Das Siegesfoto ist wirklich der Hammer: Junge Frauen schreien am 14. Juni 2019 ihre Wut über all das heraus, was schon von der Generation ihrer Mütter 28 Jahre zuvor gefordert und noch immer nicht umgesetzt wurde. Ihre vibrierende Energie springt die Betrachterin geradezu an.

Das Foto ist Teil einer Serie, die eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Ereignisse der letzten Jahrzehnte abbildet. Nun wurde es in der Kategorie Aktualität zum Swiss Press Photo 2020 gewählt, Fotograf und Preisträger ist Yves Leresche – ein Mann.

In unserer Gesellschaft gibt es Preise für alles Mögliche – von Kunst, Kultur und Wissenschaft über wirtschaftliche Leistungen bis hin zu hervorragender Spitalhygiene. Preise sind eng verwoben mit dem gesellschaftlichen Umfeld, dessen Anerkennung sie widerspiegeln, und verdanken sich nicht göttlichen Kriterien, die eine Jury zwingend das objektiv schönste Werk erkennen lassen. Und Preise haben einen hohen Symbolwert.

Den Frauenstreik dokumentierte quer durch alle Städte ein Netzwerk von 34 Frauenstreikfotografinnen mit unzähligen Fotos – aber den renommierten Swiss Press Photo Award gewinnt ein Mann? Genau mit diesem Thema?

Die Wahl löst bei vielen Fotografinnen verständlichen Unmut aus – nicht weil sie Leresche für einen schlechten Fotografen hielten, sondern weil es wie die Neuauflage des ewigen Rituals scheint. Gute Sachen machen alle, meinte eine Kollegin, aber die Buben gewinnen die Preise. Und Fotografie ist eine männerlastige Domäne.

Aber auch Frau gewinnt bloss Preise, wenn sie sich darum bewirbt. Ich habe nachgezählt: 19 der 34 Frauenstreikfotografinnen haben in diesem Jahr beim Swiss Press Photo Award gar kein Werk eingereicht; und von den verbleibenden 15 legten nur drei ihre Fotos vom Frauenstreik vor. Die fantastischen Fotos, die zum Beispiel in dieser Zeitung erschienen, bekam die Jury nie zu Gesicht.

Das sollten wir dann auch mal ändern, gell?