Agenda :
Körper von Gewicht
Nach Corona wird auch das Schauspielhaus zum Kino: Eine Rampe führt vom Parkett hinauf auf die Bühne, dort nimmt man, mit dem Saal im Rücken, Platz vor einer grossen gewölbten Leinwand. «The Show’s Over» heisst die Videoinstallation von Hausregisseurin Wu Tsang, gedreht noch kurz vor dem Lockdown. Ein gespenstisches Poem aus Körpern in Bewegung ist das, inspiriert von James Baldwin und einem Gedicht von Fred Moten. Und stets weht dabei auch der Geist von Black Lives Matter durch die Szenen: Oder wie setzt man schwarze Identität ein gegen die Zombies, die sie erfunden haben?
«The Show’s Over» in: Zürich Schauspielhaus. Do–So, 25.–28. Juni 2020, 10–20 Uhr (Einlass jeweils alle neunzig Minuten).
Florian Keller
Schwerter zu Pflugscharen
Der mexikanische Künstler Pedro Reyes ist Pazifist – und er arbeitet mit Waffen. Kein Widerspruch: Mehrere seiner Werke sind konkrete Entwaffnungsaktionen. Früher verwendete er als Ausgangsmaterial im mexikanischen Drogenkrieg konfiszierte Waffen. Für die Ausstellung im Basler Tinguely-Museum hat er etwa eigens eine edel glänzende Musikspieldose aus Karabinerteilen zusammengebaut: die «Disarm Music Box». Die Ausgangswaffen für diese Musicboxreihe wurden direkt beim Hersteller beschafft – und somit aus dem Tötungsverkehr gezogen. «Upcycling» nennt der Künstler seine effektvolle Umarbeitungstechnik. Die Musikdosen spielen Stücke aus den Herkunftsländern der Waffenfabrikanten. Der Bibelspruch von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden sollen, hat schon lange keine schönere Umsetzung gefunden. Und dem alten Metallbaukünstler und passionierten Kinetiker Tinguely hätte das garantiert auch gut gefallen.
«Pedro Reyes: Return to Sender» in: Basel Museum Tinguely. Bis 15. November 2020. www.tinguely.ch
Daniela Janser
Medizin fürs Denken
Diese Ausstellung muss man allein schon wegen des Titels besuchen: «When the Sick Rule the World». Was wäre, wenn die Kranken die Welt regierten? Eine ergiebige Frage für unsere Tage. Dabei wurde die Gruppenschau mit vierzehn Künstlerinnen und einem Kollektiv lang vor der Coronapandemie konzipiert. Hinterfragt werden das Effizienzdenken und der Kult ums Gesunde – und im Anschluss daran natürlich auch unser Umgang mit Krankheit als etwas Abnormem oder als Zeichen einer Schwäche. Zu sehen sind unter anderem kunstvoll zerformte Krücken, faszinierende kleine Körperskulpturen, Collagen und Plakate. Was wäre Krankheit, wenn sie nicht von Gesunden konstruiert oder kapitalisiert würde?
«When the Sick Rule the World» in: Rapperswil Alte Fabrik. Nur noch bis 5. Juli 2020. www.kurator.ch
Daniela Janser