Diesseits von Gut und Böse: L’Éducation sentimentale
Es soll ja Leute geben, die vor Neujahr auf einem Zettel ihre guten Vorsätze notieren. Jetzt ist zwar noch Hochsommer, aber so kommen mir die Plakate vor, mit denen Coca-Cola derzeit zur «neuen Normalität» ermuntern möchte: «Ich werde offen sein wie noch nie», «Ich werde in meiner Agenda Platz schaffen für das, was wirklich zählt», «Ich werde mehr Zeit in der Natur verbringen statt vor dem Bildschirm» und – mit Pseudohelvetismus besonders ungelenk – «Nie wieder werde ich vergessen, wie viel stärker wir miteinand sind».
Die frommen Wünsche fussen auf dem Videoclip «Open Like Never Before» des britischen Rappers George «The Poet» Mpanga, laut Coca-Cola Schweiz «das Gesicht und die Stimme der neuen Kampagne», was für das Original auch zutrifft: Sprache, Rhythmus und Bilder formen ein gefälliges Gesamtkunstwerk über menschliche Gemeinsamkeit, wofür der Künstler hoffentlich viel Geld bekommen hat. Deutsch synchronisiert hört sich das Ganze an, wie sich deutsch synchronisierte Werbespots und Filme halt anhören: zum Abschalten.
Grosse Konzerne gefallen sich ja darin, via Werbekampagne zu gesellschaftlicher Aufklärung beitragen zu wollen. 2015 schrieb Unilever Schweiz: «Um das Thema seinen Fans schmackhaft zu machen, unterstützt Ben & Jerry’s die weltweiten Klimaschutzkampagnen mit der fantastischen neuen Sorte ‹Save Our Swirled›. Die Abkürzung ‹SOS› zeigt, wie sehr Ben & Jerry’s das Thema Klimaschutz am Herzen beziehungsweise auf der Zunge liegt.»
Den Kommentarbereich unterm Deutschschweizer Coca-Cola-Clip musste man übrigens schliessen, weil er «zu einer Plattform für Hassreden und Fehlinformationen wurde». Die Herzensbildung der KonsumentInnen bleibt eine hehre Herausforderung.