Diesseits von Gut und Böse: Das Völkerballfeedback

Nr. 36 –

«Du triffst mutige Entscheide!» und «Du exponierst Dich!», liest Herr Lötscher sichtlich stolz vor, denn das haben ihm KollegInnen geschrieben. Es gehört zum Bewertungssystem «Instant Feedback», das er als Leiter Personaltransformation gerade bei der Postfinance eingeführt hat und in der Sendung «10 vor 10» vorstellt.

Dabei sollen sich Mitarbeitende gegenseitig zu einem Verhalten ermuntern, das «der Arbeitgeber als vorbildlich taxiert». Im Fall der Postfinance heisst das: «für ihre Meinung einstehen, vielleicht Widerstände aushalten und auch gegen Hierarchiestufen ihre Ideen durchsetzen wollen».

Nimmt man Lötschers Berufsbezeichnung wörtlich, transformiert er stille SchafferInnen zu Mitarbeitenden, die auch mal dem Chef widersprechen. Dazu gibt man sich via App Punkte, hier Powercoins, die nicht nur symbolisch sind. Sie können in E-Books oder Kaffee umgewandelt werden.

Natürlich ist positives Feedback zwischen KollegInnen in einem Team wichtig, das finden auch die Arbeitspsychologin und der Gewerkschafter. Doch als Punktvergabe birgt es Tücken. Zum Beispiel für jene, die gerne ruhig arbeiten und drum selten oder nie Powercoins ernten. Oder wenn jemand seine Powercoins gezielt an diejenigen verteilt, die Einfluss auf sein Weiterkommen haben. Das Ganze erinnert an Mannschaftswahlen beim Völkerball. Bleibt zu hoffen, dass sich die Mitarbeitenden dank erwünschtem Verhalten widersetzen.

Noch einen Zacken brutaler ist die Massnahme, mit der das Reiseunternehmen Globetrotter kürzlich sein Personal schockierte: Hier sollen die Mitarbeitenden per Wahl entscheiden, wem in der Krise gekündigt wird und wer bleiben darf. Das ist schon nicht mehr Völkerball – das geht in Richtung Erschiessungskommando.