Diesseits von Gut und Böse: Des Volkes reine Seele

Nr. 42 –

Bloss weil du Verfolgungswahn hast, heisst das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind. In Anlehnung daran wage ich die These: Wenn einer mit schwarzer Hautfarbe wegen gebauten Mists entlassen wird, heisst das nicht, dass er nicht auch rassistisch diskriminiert wurde.

Zum Beispiel Tidjane Thiam, ehemals CEO der Credit Suisse (CS). Über ihn schrieb kürzlich die «New York Times», in der Schweiz sei er Rassismen begegnet. An dem ungeheuerlichen Verdacht arbeiteten sich hier diverse JournalistInnen ab – auf unterschiedlichem Niveau.

Nun steht zwar ausser Frage, dass die haarsträubenden Skandale, die zu Thiams Abgang aus der CS führten, Gründe genug für eine Kündigung boten, doch das schliesst Rassismus ja nicht aus. Wie hartnäckig man diesen hierzulande zu übersehen pflegt, zeigte sich im «Tages-Anzeiger» so: «Dass sich Tidjane Thiam und schon vor ihm Brady Dougan an der Spitze dieser Bank immer etwas fremd fühlten (…), ist sehr gut möglich, steht aber nicht für Rassismus.»

Was die «New York Times» an Beispielen aufführte – im Zürcher Tram wurden Thiams Söhne meist als Erste kontrolliert, am Geburtstagsfest des CS-Präsidenten traten dessen Bekannte mit Afroperücken auf et cetera –, gilt im hiesigen Bewusstsein nicht als Rassismus; um den zu erkennen, brauchts hier nämlich wenigstens ein paar Hakenkreuze und Ku-Klux-Klan-Kapuzen.