Diesseits von Gut und Böse: Alles nicht ernst gemeint

Nr. 44 –

«Ich bin viel zu lange viel zu nett gewesen.» Das sagt Angélique Beldner im SRF-Dok-Film «Der Sommer, in dem ich ‹Schwarz› wurde», in dem die Berner Journalistin ihre Erfahrungen mit Rassismus öffentlich macht. Sie steht für die grosse Zahl irgendwie «anders» aussehender Menschen, die in der Schweiz jenen Alltagsrassismus erleben, den viele gar nicht als solchen begreifen. Um des Friedens willen ziehen es die meisten Betroffenen vor, verletzende Bemerkungen als «nicht ernst gemeint» zu verdrängen und «nicht so persönlich» zu nehmen.

Bei sich selbst wurde Angélique Beldner diese Haltung durch die Black-Lives-Matter-Bewegung bewusst. Sie beschloss, sich dem zu stellen, und suchte das Gespräch mit ihrer Familie in Frutigen und mit ihrem ursprünglich aus Benin stammenden Vater in Frankreich.

In Familien bisher Tabuisiertes anzusprechen, ist nie leicht. Angélique Beldner brachte den Mut auf, es vor der Kamera zu tun – das beeindruckt, und der Film berührt.

Da mag sich die Grosstante nicht entschliessen, vom Wort «Mohrenkopf» abzulassen, obwohl Angélique erzählt, wie sie als Kind unter dem Schimpfwort litt. Und bei einer Diskussion übers N-Wort am örtlichen Stammtisch finden fast alle Männer feixend, dass man «einer stinkfaulen Ratte» halt so sage.

Beldner ist seit fünf Jahren Moderatorin bei der «Tagesschau» und seit diesem Jahr auch der Quizshow «1 gegen 100». Als sie im Film dem SRF-Chefredaktor Tristan Brenn erzählt, vor fünfzehn Jahren habe man ihr zu verstehen gegeben, «die Schweiz sei noch nicht bereit für eine dunkelhäutige Newsmoderatorin», zeigt der sich «sehr überrascht über eine solche Wertung. Ich kann es mir nicht erklären.» Was eigentlich mehr erschreckt als die grölende Runde am Stammtisch.