Diesseits von Gut und Böse: Fast wie im Leben

Nr. 3 –

Wohnen Sie in einer WG, oder haben Sie mal in einer gewohnt? Mit mehr als sieben Personen? Wenn Sie darauf mit Nein antworten, haben Sie vielleicht trotzdem über den letzten «Tatort» aus Stuttgart gelacht, aber aus falschen Gründen. Denn ohne entsprechenden Hintergrund muss das erzählte Geschehen wie ein sozialanthropologisches Forschungsprojekt gewirkt haben.

Bei Menschen mit einschlägiger Erfahrung weckte der Film über eine Hausgemeinschaft widersprüchliche Emotionen: Die einen sahen ihr Lebensmodell lächerlich gemacht, die andern amüsierten sich über zwar parodierte, aber wohlbekannte Muster. Ich gehöre zur zweiten Gruppe.

Siebzehn Jahre meines Erwachsenenlebens verbrachte ich in verschiedensten WGs, in denen auch ganz unterschiedliche Weltanschauungen gelebt wurden – die Esoterikszene, wie in diesem «Tatort» porträtiert, gehörte nicht dazu. Von daher kann ich sagen: So wie hier war keine meiner WGs, und doch waren alle so.

Neben der konkreten Geschichte zeigte der «Tatort» nämlich das, was immer da ist: die Hoffnung, bürgerlich kapitalistischen Zwängen zu entgehen; die Entdeckung, dass das nicht einfach ist; das Bemühen, Konflikte möglichst aggressionsfrei auszudiskutieren; die Machtkämpfe, die sich an Haushaltsfragen aufhängen; dazu Eifersucht, Liebe und Klatsch.

Mein Fazit: ein wunderbarer Film, zeitweise wie Reality-TV und bis in kleinste Details liebevoll gemacht, manchmal zum Totlachen, manchmal auch schwer auszuhalten. Aber eine Alters-WG ziehe ich derzeit nicht in Betracht.