Diesseits von Gut und Böse: Überflüssige Hautlappen

Nr. 4 –

Es gibt viele Gründe, zum Arzt zu gehen. Oder zur Ärztin. Die Personen, die sich in einer Dokumentation auf SRF dabei begleiten liessen, gingen alle zum Arzt. Sie litten weder an Covid-19 noch an Krankheiten mit langer Tradition wie Lungenentzündung oder Magen-Darm-Grippe. Nein – sie litten an dem, was sie im Spiegel sahen, wenn sie sich anschauten.

Nun ist es ja nicht so, dass ich und andere das nicht kennten. Es gibt immer etwas, das verbesserungswürdig scheint, und da sich die Dinge im Lauf der Zeit nicht von selbst optimieren, bleibt nur Gelassenheit oder der Gang zum Schönheitschirurgen.

Die im Film Porträtierten entschieden sich für Letzteres. Die eine hat wegen des Verlusts eines geliebten Menschen mal ein Jahr lang täglich geweint und dabei «einen Riesenfehler» gemacht: ihre verheulten Augen nicht sofort gekühlt! Jetzt hängen die Lider. Die andere mag ihren Hals nicht. «Trutenhals» nenne man das, hat sie jetzt gelernt.

Beiden erklärt der jeweilige Chirurg vor dem Spiegel respektive mit 3-D-Bild, was er zu tun gedenke, und zwar so, dass nachher niemand merke, dass etwas «gemacht» wurde. «Bei uns sehn alle supernatürlich aus, wies bei uns in der Schweiz normal ist», erklärt einer, während die Kamera zu den blutjungen Blondinen am Empfang schwenkt, die aussehen wie eineiige Zwillinge. Er wolle die Menschen nicht schön, sondern einfach glücklicher machen, das sei seine Verantwortung. Dann sehen wir beiden Herren beim blutigen Schnetzeln zu.

Zwischen diesen Szenen tritt die Ethikerin an, um die Glückserwartungen der Beteiligten zu relativieren und in einen psychologischen Zusammenhang zu stellen. Doch es wirkt vergeblich. Wer genug Geld hat und den Weg zum Chirurgen wählt, will das nicht hören. Übrigens zeigt der Film auch einen jungen Mann, der sich mehr «Kontur und Kanten» im Gesicht wünscht, um «männlicher» und «mehr selbstbewusst» zu wirken. Bei ihm genügt ein bisschen «Fillern». Noch.