Diesseits von Gut und Böse: Cooler Kitsch

Nr. 21 –

Das sei jetzt nicht seine Musik, stellte Moderator Sven Epiney bei gefühlt jeder zweiten Darbietung am Eurovision Song Contest (ESC) 2021 fest, doch immer fand er einen Grund, sich trotzdem daran zu freuen, weshalb er sich gemeinsam mit Sandra Studer zu fortgeschrittener Stunde immer fröhlicher durch die Übertragung auf SRF 1 gackerte.

Dass der Schweizer Beitrag des engelgleich singenden Gjon’s Tears nach Vergabe der Jurypunkte zwischenzeitlich auf Platz 1 landete, machte beide ganz rappelig vor Wonne. Doch weil sich die Punktzahl immer wieder änderte, wiederholten sie glücklich glucksend ein ums andere Mal, es sei kaum zu glauben, aber noch zu früh, um den Champagner zu öffnen – so verweilte man wohl beim ausgiebigen Apéro.

Eingefleischte ESC-Fans mögen mir verzeihen, aber eigentlich kannte ich die traditionsreiche Veranstaltung hauptsächlich aus der Berichterstattung; gesehen habe ich während der vielen Jahre höchstens ein paar Ausschnitte – es war einfach nicht meine Musik. 1974 wäre ich sicher nicht auf die Idee gekommen, freiwillig ABBA zu hören.

Nach 1989 hiess es dann, die gegenseitigen Länderbewertungen seien bloss politische Sympathiebezeugungen, was mich auch nicht zum Zuschauen motivierte und der gedemütigten Schweiz als Begründung diente, fast jedes Jahr mit dem Verdikt «Switzerland: Zero Points» leben zu müssen.

Diesmal hab ich alles geschaut und gehört. Coronabedingt gab es noch mehr digitale Effekte als sonst, und mindestens vier Konkurrentinnen steckten im gleichen Beyoncé-inspirierten Glitzergewand, von denen mich aber nur die Vertreterin Maltas stimmlich überzeugte.

Die SiegerInnen, Maneskin aus Italien, androgyne Wiedergänger der Achtziger, sahen zwar nach Koksen aus, sollen es aber während der Veranstaltung gemäss Drogentest doch nicht getan haben. Und weil sich «die Schweiz» auf Platz 3 hielt, wurde auch für heimatliebende Gemüter am Ende noch alles gut.