Diesseits von Gut und Böse: Skandal! Skandal!

Nr. 26 –

Hätte ich einen Sack, würde ich sagen: Es geht mir ungeheuer auf denselben, wie man sich im Hause Tamedia abmüht, in allem und jedem einen Aufreger aufzuspüren.

Kürzlich ging es um Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Erziehung in der Schule. Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass das generische Maskulinum im Kopf vor allem männliche Bilder entstehen lässt, führen sich manche bei dem Thema auf, als wolle man sie zwangskastrieren.

Diesmal hats der «Tages-Anzeiger» geschafft, aus einer Broschüre der Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung genau den Punkt rauszufischen, mit dem er die Ewiggestrigen aus dem Busch lockt: den Genderstern.

Auf 28 Seiten finden sich unterschiedlichste Tipps zu Unterrichtsgestaltung und schulischem Zusammenleben, zu Geschlechterrollen, Interaktion, Kommunikation, Raumgestaltung, Spielangeboten et cetera. Doch wie die Geier stürzte sich die Redaktion – und später Kommentierende – darauf, dass neben vielem anderen der Genderstern vorgeschlagen wird.

«Gendersternchen im Klassenzimmer – Filippo Leutenegger überrumpelt» lautet der Titel eines Artikels, bei einem anderen stand im Lead: «Die Zürcher Tipps für geschlechtergerechten Unterricht kommen bei der Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerverbands nicht gut an», dabei äusserte sich diese zwar kritisch zum Genderstern, doch mit den Grundabsichten ist sie einverstanden.

Mich tröstet nur der Gedanke, dass TA-LeserInnen-Kommentare nicht die ganze Gesellschaft abbilden. Von den «Täterinnen des Gleichstellungsbüros» ist da die Rede; Sprache sei «ein Kulturgut und eines der Hauptmerkmale welche den Menschen vom Tier unterscheidet»; für einen ist das «ein klarer Fall fürs Egerkinger-Komitee», ein anderer fordert: «Schliesst diese sinnlose Fachstelle.»

Zum Glück liess wenigstens die «NZZ am Sonntag» die Leiterin der Fachstelle selbst zu Wort kommen. Vorerst gilt noch das Sprachreglement aus dem Jahr 1996 – ohne Genderstern.