Diesseits von Gut und Böse: Angemessene Wurfgetränke
Niemals hätte ich erwartet, ausgerechnet Natalie Rickli mal zum vernünftigeren Teil ihrer Partei zählen zu dürfen – jetzt ist es so weit: Bei der Einweihung der mobilen Impfzentren hat es die Zürcher Gesundheitsdirektorin geschafft, von einem Impfgegner mit Apfelschorle übergossen zu werden, was klar beweist: Die SVP-Regierungsrätin steht hinter dem Impfen und den Coronaschutzmassnahmen. Das tun nicht viele ihrer ParteigenossInnen. Am Parteitag letzten Samstag haben die SVP-Delegierten mit überwältigendem Mehr ein Nein zum Covid-19-Gesetz beschlossen, das die Massnahmen genauer regeln soll.
Besagte Apfelschorle erregte weitherum Aufsehen. «Ich bin nicht geimpft, aber finde so eine Aktion unnötig», schrieb ein Leser auf 20min.ch. Da selbst Frau Ricklis Sprecher gegenüber «20 Minuten» meinte, die Aktion wäre nicht nötig gewesen, scheint es also Bedingungen zu geben, unter denen so ein Schorleguss notwendig wird.
Meines Erachtens ist es eigentlich nie passend, Personen mit Getränken oder Lebensmitteln zu bewerfen, doch solchen Handlungen eignet zweifellos eine starke Symbolik. Wer wen womit bewirft oder beschüttet, unterliegt dabei keinen klaren Regeln. Einer losen Aufzählung im «Blick» folgend, wurden Hans-Rudolf Merz, Micheline Calmy-Rey und Ueli Maurer schon mit Torten beworfen, Christoph Blocher hingegen mit Joghurt und Pascal Couchepin mit Bier bespritzt; und die Reaktion des Zürcher Regierungsrats Mario Fehr aufs legendäre Bier über seinen Kopf bewies nur einmal mehr seine Humorlosigkeit. Auch gegen den Schorleschütter wird jetzt ein Verfahren eingeleitet.
Ob Linke lieber mit Bier um sich spritzen, rechtsdrehende Impfgegner hingegen mit Apfelschorle, einem alkoholfreien Naturprodukt, bleibt offen. Klar ist aber: Sollte sich der herbeigeredete Stadt-Land-Graben weiter vertiefen, werden die Bevormundergrünen zu Weissweinschorle und die Luxuslinken zu Prosecco greifen müssen.